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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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besonders.«
    »Du schaust müde aus.«
    Er lachte ein wenig. »Eher betrunken.«
    »Ich mach dir einen Kaffee.«
    Sie verschwand in der Küche. Alison, nicht hübsch, aber mit wundervollem kastanienbraunem Haar, das ihr lang den Rükken hinabhing, war die ideale Nachbarin, gutmütig, ruhig und unaufdringlich. Sie unterrichtete an einer Vorschule in Tufnell Park. Caleb konnte sie sich gut vorstellen, wie sie sich in ihren etwas merkwürdigen wallenden Gewändern mit Liebe und Engelsgeduld bemühte, zwanzig Fünfjährigen das Alphabet beizubringen.
    Ein paar Minuten später war sie zurück. »Bitte.« Sie stellte die Tasse auf den Tisch. »Er ist sehr heiß, verbrenn dich nicht. Ach übrigens, du hast fast keinen Zucker mehr. Aber jetzt laß ich dich in Ruhe. Gute Nacht, Caleb.« An der Tür blieb sie stehen, einen Schimmer von Unsicherheit in den sanften graublauen Augen. »Das Schulfest …«
    Noch ganz mit den Ereignissen des vergangenen Abends beschäftigt, wußte er nicht gleich, wovon sie sprach. Dann fiel ihm ein, daß sie ihn unter großer Verlegenheit und vielen Beteuerungen, daß sie es verstehen könne, wenn er keine Lust habe, zu einer Benefizveranstaltung an ihrer Schule eingeladen hatte. Sie sollte am folgenden Tag stattfinden.
    »Ja, natürlich«, sagte er. »So gegen sieben?«
    »Wunderbar.« Sie schloß leise die Tür.
    Er nahm den Kaffee mit in das Zimmer, das er als Büro eingerichtet hatte, und setzte sich an den Schreibtisch. Wenn die Harbornes ihm den Auftrag erteilten, ihren Garten neu zu gestalten – wenn, wohlgemerkt! –, würde er seinen Berechnungen nach gerade über die Runden kommen. Und Diana hatte ja gesagt, daß die Harbornes ihn weiterempfehlen würden, wenn sie mit seiner Arbeit zufrieden wären. Das war alles, was er brauchte – ein halbes Dutzend guter Aufträge –, um der Zukunft mit mehr Zuversicht ins Auge sehen zu können.
    Wenn die Harbornes es sich allerdings anders überlegten, wenn sie meinten, sich nach den Ausgaben für Weihnachten keine Extravaganzen wie die Neugestaltung ihres Gartens leisten zu können, dann – ach was, daran würde er einfach nicht denken. Verhungern würde er auf keinen Fall: Freddie hatte gesagt, daß er jederzeit Arbeit für ihn habe. Aber er würde vielleicht die Wohnung verkaufen müssen, die ihm schon lieb geworden war. Und er würde seine Unabhängigkeit verlieren, was besonders ärgerlich war.
    Er hatte sich vor acht Monaten selbständig gemacht und diesen neuen Abschnitt seines beruflichen Lebens mit einem Optimismus und einer Entschlossenheit in Angriff genommen, die er trotz aller Rückschläge nicht verloren hatte. Er war nach London zurückgekommen, weil er gehört hatte, daß überall gebaut und saniert wurde. Reichlich Arbeit für einen Landschaftsgärtner, hatte er sich gesagt. Er würde sich zuerst mit kleineren Projekten, die das Geld für das tägliche Leben hereinbrachten, einen Namen machen; und später, wenn er sich etabliert hatte, würde er sich die Aufträge aussuchen können.
    Er blätterte in dem Rechnungsbuch, das vor ihm lag, und überflog die Zahlen. Er mußte nur bis zum Frühjahr durchhalten. Dann würde das Geschäft wieder in Gang kommen, dessen war er sicher. Er schrieb Zahlen nieder, addierte und dividierte, aber nach einer Weile legte er den Stift aus der Hand und blieb blind vor sich hin starrend am Tisch sitzen. Er konnte sich nicht konzentrieren. Wahrscheinlich hatte er zuviel getrunken. Etwas anderes war es sicher nicht. Ganz gewiß nicht die Erinnerung an Romy Cole, die das Haus der Harbornes wie eine blaßgoldene Flamme zum Leuchten gebracht hatte.
    Vor zweieinhalb Jahren hatte sie sein Leben aus den Angeln gerissen. Hinter seinem Entschluß, ins Ausland zu gehen, hatte das Verlangen gestanden, alles Vertraute zu fliehen. Oder alles, was vertraut schien. Die Entdeckung, daß er Osborne Daubenys Sohn war, hatte ihn aus der Bahn geworfen und die Fundamente, auf denen sein Leben gründete – seine Herkunft, seine Biographie, sein Name –, zerstört. Er war davor zurückgescheut, all die anderen Dinge, die bis dahin selbstverständlich für ihn gewesen waren, näher zu betrachten, weil er gefürchtet hatte, daß auch sie sich in einem einzigen Moment in nichts auflösen würden.
    Auf der Bootsfahrt von Dover nach Calais hatte er ungewöhnlich schlechtes Wetter gehabt, dichte graue Wolken und böige Winde; Ende August war das Wetter schon wie im November. Er hatte an Deck gestanden und zugesehen, wie der

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