Das Erbe des Vaters
über ihn hinweg.
Sie trat vom Fenster zurück. Der Raum hatte sich gefüllt. Man tanzte Cha-Cha-Cha zu den Klängen von »Sambesi«. Hinter ihr sagte jemand ihren Namen, und sie erstarrte.
Es war die Art Party, die Caleb haßte. Winzige Häppchen undefinierbarer Speisen und das stocksteife Geschiebe, das man in diesen Kreisen als Tanzen bezeichnete. Ohne Diana, groß, dunkel, Strohwitwe mit einem Herzen aus Stein, wäre er nicht gekommen – wäre er gar nicht eingeladen worden. Aber sie hatte gesagt: »Ich könnte dich mit einer Menge nützlicher Leute bekanntmachen. Ich möchte dir helfen, Caleb.« Er vermutete allerdings andere Motive bei ihr, aber die Idee an sich war nicht schlecht, zumal das Geschäft im Augenblick stagnierte. Es war nicht die Jahreszeit, zu der die Leute an Gärten dachten. Er hatte sie also auf das Fest bei den Harbornes begleitet, hatte ziemlich viel getrunken und ein halbes Dutzend kleine Vol-au-vents verdrückt, als er plötzlich Romy gesehen hatte.
Er hatte sie nicht gleich erkannt. Sie hatte getanzt, und ihr Gesicht war von ihm abgewandt gewesen. Sie trug ein goldenes Kleid mit engsitzendem Oberteil und einem weiten, fließenden Rock. Ihr hellbraunes Haar war zu einem Knoten aufgesteckt. Eine auffallende Erscheinung: elegant und selbstsicher, mit diesem undefinierbaren Funkeln, die einzige Frau auf dem ganzen verdammten Fest, die einen zweiten Blick wert war.
Dann durchschnitt ihre Stimme die Musik – »So einfach liegen die Dinge nicht, Patrick« –, und er war wie elektrisiert. Er hatte gewußt, daß sie einander eines Tages wiederbegegnen würden, aber er hatte nicht geglaubt, daß es ihn noch berühren würde. Doch jetzt machte er abrupt kehrt und ging ohne stehenzubleiben in den Garten hinaus. Er rauchte eine Zigarette und starrte zu den gefrorenen Blättern der Astern und den blassen, papierspröden Samenkapseln der Mondviolen hinunter. Und dachte dabei, wie albern er sich benahm; er war doch kein gehemmter Teenager, er brauchte lediglich ein paar höfliche Worte mit ihr zu wechseln und sich dann zu verabschieden.
Als er ins Haus zurückkam, war sie auf dem Weg über die Tanzfläche. Er sprach sie an, und sie drehte sich nach ihm um. Sie lächelte nicht; das fiel ihm auf.
»Caleb.« Ihr Blick flog durch das Zimmer. Vermutlich suchte sie diesen Patrick. »Was für ein Zufall. Nach so langer Zeit …«
»Tja, die Welt ist klein, Romy.«
»O ja.« Ein flüchtiges Stirnrunzeln. »Jake hat mir erzählt, du wärst ins Ausland gegangen.«
»Ich bin seit ungefähr einem Jahr zurück.«
»Wie geht es dir?«
»Ach, ganz gut. Und dir, Romy?«
»Glänzend«, sagte sie. »Ganz hervorragend.« Der Blick ihrer ungewöhnlichen Augen blieb endlich auf ihm liegen. »Was tust du? Gestaltest du immer noch Gärten?«
»Ja, ich habe meine eigene Firma gegründet. Gartengestaltung und -pflege.«
»Geht das Geschäft gut?«
»Sehr gut«, sagte er mit etwas zuviel Nachdruck. Schweigen trat ein. Dann sagte er: »Und du? Bist du noch im Hotel? Mrs. Plummer –«
»Sie ist vor zwei Jahren gestorben.«
»Ach, das tut mir leid.«
»Sie hat mir das Hotel hinterlassen.«
»Ah«, sagte er. Jetzt verstand er das Flair teurer Eleganz, das sie umgab. Er neigte den Kopf. »Gratuliere. Ich wünsche dir viel Erfolg.«
»Danke, Caleb.«
Wieder Schweigen. Dann: »Und Jem – wie geht es Jem?«
Zum erstenmal lächelte sie. »Es geht ihm gut. Er arbeitet auf einem Hof in Yorkshire.«
Romys Tanzpartner kehrte mit zwei Gläsern in den Händen zurück. »Hier, Darling«, sagte er und reichte Romy eines der Gläser. Er warf Caleb einen Blick zu. »Willst du uns nicht miteinander bekanntmachen?«
»Patrick, das ist Caleb Hesketh. – Caleb, das ist Patrick Napier. Caleb und ich kennen uns von früher«, sagte sie kurz.
Und hatte ihn damit unmißverständlich auf seinen Platz verwiesen. Caleb gab Patrick die Hand, murmelte eine Entschuldigung und ging. Auf dem Weg zur Haustür trank er noch ein Glas, dann holte er seinen Mantel.
Er hatte gehofft, verschwinden zu können, ohne von Diana gesehen zu werden. Aber sie stand vorn bei der Garderobe, es gab also kein Entkommen.
»Du willst schon gehen?« fragte sie und schoß auch schon so unbeirrbar wie eine ferngesteuerte Rakete auf ihn zu. Sie war, fand er, eine interessante Mischung. Mit ihrer hellen Haut und den römischen Gesichtszügen erinnerte sie tatsächlich an Diana, die Jägerin, von der sie vermutlich ihren Namen hatte; die langen
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