Das Erbe des Vaters
einem paßt.«
»Nein, so funktioniert das nicht.« Sie sah ihm an, daß er verärgert war. Es war ihr schon früher aufgefallen, daß er Schwierigkeiten hatte, sich zu fügen, wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging.
»Na, aber deine Angestellten werden doch mal ohne dich auskommen können?«
Sie verspürte einen Anflug von Unmut darüber, daß er ihr sagen wollte, wie sie ihr Hotel zu führen hatte. Sie versuchte, es ihm zu erklären. »Es geht nicht darum, ob die Leute ohne mich auskommen können oder nicht. Ich kann mich auf sämtliche meiner Angestellten verlassen. Aber es geht einfach nicht, daß ich Weihnachten nicht da bin. Das wäre –« sie suchte nach einem passenden Vergleich –, »das wäre so, als würde man ein Orchester ohne Dirigenten lassen. Und außerdem«, setzte sie hinzu, als die Musik endete und höflich geklatscht wurde, »muß ich Weihnachten bei meiner Familie sein.«
»Bei deiner Mutter?«
»Nein. Meine Mutter besuche ich im Januar, da ist es im Trelawney immer ruhig. Ich sprach von Jem und Danny.«
Jetzt sah er verärgert aus. »Meinst du nicht, es wäre an der Zeit, daß dein Bruder die Verantwortung für sein Kind übernimmt?«
»So einfach liegen die Dinge nicht, Patrick.«
Er nahm sein Zigarettenetui heraus und hielt es ihr hin. Sie schüttelte den Kopf. Er sagte: »Du darfst dich nicht ausnützen lassen, Romy. Was ist überhaupt mit der Mutter des Kindes?«
»Die beiden haben sich getrennt, das habe ich dir doch erzählt. Sie hat sich einen anderen gesucht. Und Jem war beim Militär.« Sie trank von ihrem Gin Tonic. Es war keine richtige Lüge, sagte sie sich. Eher ein Jonglieren mit den Fakten und ein mittlerweile zur Gewohnheit gewordenes Ausweichen vor einer unangenehmen Wahrheit. »Und jetzt – na ja, Jem hat etwas Zeit gebraucht, um sein Leben zu ordnen. Wenn Danny ein bißchen größer ist, wird er natürlich bei Jem leben.« Sie sah zu ihrem Glas hinunter. »Er nützt mich nicht aus. Ich wollte ihm helfen. Ich habe es ihm angeboten.«
»He!« Er strich ihr mit dem Handrücken über die Wange. »Du brauchst nicht gleich böse auf mich zu sein. Ich habe nur gefragt.«
»Ich bin nicht böse auf dich.« Sie zwang sich zu lächeln. »Ich bin nur ein bißchen müde.«
»Meine arme Kleine«, sagte er und gab ihr einen Kuß auf die Stirn. »Ich finde wirklich, du mutest dir zuviel zu. In deinem Alter solltest du vor allem Spaß haben.«
»Aber ich habe ja Spaß. Eine ganze Menge.« Sie hielt ihm ihr leeres Glas hin. »Könntest du mir noch etwas zu trinken holen, Patrick?«
Als er fort war, verschwand das Lächeln von ihrem Gesicht. Sie drängte sich zwischen den tanzenden Paaren zu den hohen Fenstertüren durch, die in den Garten hinausblickten. Die winterliche Dezemberluft drang durch die Scheiben. Ein Teil ihres Ärgers löste sich auf, und statt dessen stellte sich ein Gefühl des Überdrusses ein. Es schien unmöglich, alles richtig zu machen, es jedem recht zu machen. Selbst in diesem Moment sorgte sie sich, ob das Abendessen des Rotarierklubs, das heute abend im Trelawney stattfand, ohne Panne verlaufen würde. Und ob Dannys Erkältung lediglich eine Erkältung war oder sich zu etwas Schlimmerem auswachsen würde, einer Grippe etwa oder den Masern.
Seufzend blickte sie in den Garten hinaus. Zwischen Büschen und Bäumen bewegte sich etwas, irgend jemand streifte trotz der eisigen Kälte dort draußen im Freien herum. Und die Kapelle spielte jetzt ausgerechnet » Isn’t This a Lovely Day«. Es war nett gewesen von Patrick, sie an Weihnachten zu seiner Mutter einzuladen. Sie stellte sich ein schönes altes Haus vor, einen Weihnachtsbaum, Stechpalmenzweige an der Tür, ein festliches Weihnachtsessen mit Truthahn und Plumpudding. Wie Weihnachten eben sein sollte. Es tat ihr leid, daß sie der Einladung nicht folgen konnte.
Die Gestalt im Garten war aus der Dunkelheit auf die Terrasse hinter dem Haus getreten und stand nun, mit dem Rücken zu ihr, im Licht, das durch die Fenster nach draußen fiel. Sie sah, daß es ein Mann war, und einen Moment stockte ihr der Atem bei seinem Anblick, so vertraut erschienen ihr seine Haltung und seine Art, sich zu bewegen. Unsinn, sagte sie sich sofort. Gleich würde er sich umdrehen, und sie würde sehen, daß ihre Phantasie ihr wieder einmal einen Streich gespielt hatte; würde wieder mit nichts als Enttäuschung dastehen. Gepaart diesmal mit dem Gefühl, sich ausgesprochen töricht zu benehmen: Sie war schließlich längst
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