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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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herumgehen ließen. Es roch nach irgendeiner süßlichen, exotischen Substanz, nicht ganz Patschuli, nicht ganz Moschus. Unter der Tür zum Atelier saß ein Mädchen und weinte seinen olivgrünen Pulli naß. In einer dünnen, blassen Hand hielt sie zitternd ein Glas. »Ich wollte das Kind«, beteuerte sie immer wieder. »Ich wollte es, Sheila, wirklich. Ich wollte es.«
    Romy drängte sich an ihr vorbei.
    Zigarettenqualm verschleierte das Kerzenlicht im Atelier; der Boden war übersät mit Brotkrümeln, Flaschendeckeln und Zigarettenkippen. Von einer nackten Glühbirne in der Mitte des Raums hing ein einsamer Mistelzweig herab, Jakes einzige Konzession an die Weihnachtszeit. Ein Grammophon spielte; immer wenn Stimmengewirr und Gelächter einen Moment nachließen, hörte Romy Fetzen einer wiederkehrenden Melodie.
    Jemand brüllte: »Romy!«, und sie kämpfte sich durchs Gewühl zu Jake vor, der auf dem Sofa saß.
    »Romy, mein Schatz! Ich dachte, du feierst mit den Reichen und Schönen in deinem Hotel.«
    »Ich hatte Lust, zur Abwechslung mal in die niederen Regionen hinabzusteigen. Ein gutes neues Jahr, Jake.« Sie gab ihm einen Kuß.
    Eine rothaarige Frau saß mit offenem Mund schlafend neben Jake. Romy hockte sich auf die Armlehne des Sofas. Jake hielt eine Flasche hoch. »Möchtest du was trinken?«
    »Bitte.«
    »Alle sind da«, sagte er, während er mit dem Flaschenöffner hantierte. »Psyche, Dave, Matty, Julian – alle.« Er sah sich mit recht bekümmertem Blick im Zimmer um. »Die meisten sind nur gekommen, weil’s hier nichts kostet. Man ahnt es nicht, aber für einen Schluck Fusel und ein Stück trockenes Baguette laufen sich die Leute die Füße wund, wenn’s nur umsonst ist.«
    Auf dem Kamin standen zwei schmuddelige Gläser. Jake schenkte ein. »Ach, Caleb ist übrigens auch hier«, bemerkte er. »Hab ich das schon gesagt?«
    Caleb. Romy war plötzlich verärgert. Wieso tauchte der immer gerade da auf, wo sie auch war?
    »Geh hin und sag ihm guten Tag«, sagte Jake und reichte ihr ein Glas.
    »Fällt mir nicht ein.«
    »Er würde sich freuen, dich zu sehen.«
    Sie lachte kurz. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
    »Instinkt«, antwortete er, und sie prustete verächtlich.
    »Also, wirklich, Jake. Caleb und ich haben einander nichts zu sagen.« Sie sah seinen Blick und fügte erklärend hinzu: »Ich habe ihn vor ein paar Wochen auf einer Party getroffen, und es war einfach grauenhaft.« Sie erinnerte sich mit unangenehmer Deutlichkeit ihres Gesprächs, dieser kühlen Abfolge von Klischees und Platitüden. »Er hat sich verändert, Jake«, sagte sie. »Er ist nicht mehr so wie früher.«
    »Quatsch. Er ist genau wie immer.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Zu dir vielleicht. Zu mir nicht.«
    »Ach komm, das ist doch Schnee von gestern …«
    »Du hättest sehen sollen, wie eilig er es hatte, von mir wegzukommen.«
    »Blödsinn. Das bildest du dir alles ein. Du hast immer schon eine blühende Phantasie gehabt, Romy. Du solltest es so machen wie ich: die Dinge nehmen, wie sie gerade kommen.« Jake legte den Kopf in den Nacken, spülte den Rest seines Weins hinunter und hustete. »Billiger Fusel«, schimpfte er. Dann rief er laut: »Caleb«, und sie drückte ihm hastig die Hand auf den Mund.
    »Jake!« sagte sie wütend. »Warum kümmerst du dich nicht um eine eigenen Angelegenheiten?«
    »Dein Glück ist meine Angelegenheit«, erklärte er hochtrabend und holte Luft, um den nächsten Schrei loszulassen.
    »Schon gut, schon gut«, sagte sie. »Ich geh ja schon, wenn dich das glücklich macht.«
    Sie fand Caleb in der kleinen Küche im Gespräch mit Psyche, die unverkennbar hochschwanger war. Psyche sagte gerade: »Ich stille natürlich nur, wenn das Kind sich meldet. Ich habe gerade Elterliche Fürsorge und die Entwicklung der Liebe gelesen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schlimm es für ein Baby ist, von seiner Mutter getrennt zu sein, Caleb. Meinst du, das heißt, wenn ich zum Beispiel zum Friseur gehe –« Sie bemerkte Romy und brach mitten im Satz ab. »Romy!« rief sie mit schrillem Entzücken und stürzte ihr entgegen, um sie in die Arme zu nehmen.
    Danach begrüßte Romy Caleb. Er trug Jeans und ein Hemd mit offenem Kragen und darüber eine Kordjacke. Zwischen Spülbecken und Küchentisch eingeklemmt, nickte er ihr zu. »Dich hätte ich hier nicht erwartet«, sagte er. »Ich dachte, du verkehrst dieser Tage in ganz anderen Kreisen.«
    Kühl entgegnete sie: »Es war ein ganz spontaner

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