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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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lustig«, erklärte Romy. »Sie sollten ihn mal über das Hotel reden hören. Man könnte meinen, ich wäre ganz allein für die Aufrechterhaltung der Klassengesellschaft verantwortlich.«
    Er lächelte. Dann sagte er: »Tja, Middlemere.«
    »Ach ja, Sie wollen wahrscheinlich nach Hause.«
    »Nein, nein, ich hab’s überhaupt nicht eilig. Ich wohne jetzt in Reading. Zur Untermiete. Und die Tochter meiner Wirtin, ein Mädchen mit dem schönen Namen Heidi, hat es sich zur Pflicht gemacht, jeden Abend mit einem Teller voll ziemlich grausigen Broten auf mich zu warten.«
    »Heidi? Mit Dirndl und Zöpfen?«
    »So ungefähr. Lachen Sie nicht. Es ist überhaupt nicht lustig, mitten in der Nacht Eierbrote essen zu müssen, die zäh wie Gummi sind.«
    »Das kann ich mir vorstellen.« Sie schaute zur Straße hinaus. Mehrere Afrikaner, blauschwarze Schemen, die mit den Schatten verschmolzen, kamen mit Saxophonen und Tamburinen in den Händen die Straße herauf. Sie sagte: »Ihre Mutter und Osborne Daubeny –«
    »Sie hatten ein Verhältnis. Meine Mutter sagte, es habe nicht lang gedauert. Ich nehme an, sie war einsam.«
    Sie merkte ihm an, wie ungern er darüber sprach, und sagte verlegen: »Ich hätte nichts sagen sollen. Ich hätte es für mich behalten sollen.«
    »Meinen Sie?« Er runzelte die Stirn. »Schwierige Frage. Wäre es mir lieber, Sie wüßten Bescheid und ich nicht? Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Wie haben Sie überhaupt von der Geschichte erfahren?«
    »Von meiner Mutter.«
    »Und woher wußte die davon?«
    »Ach, sie hatte gehört –«, begann sie und brach ab.
    Er kniff die Augen zusammen. »Was hatte sie gehört? Gerüchte? Im Dorf wußten wohl alle Bescheid, oder?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete sie. »Wir gehörten damals eigentlich nicht zur Dorfgemeinschaft. Middlemere liegt ja ziemlich abseits. Und mein Vater – er war ein Eigenbrötler, der seine eigenen Vorstellungen von den Dingen hatte. Außerdem war er sehr geradeheraus. Damit macht man sich nicht immer Freunde. Meine Mutter war geselliger, die hat mit den Leuten geredet, nehme ich an. Und als ich ihr erzählt habe, daß Sie jetzt in Middlemere wohnen …«
    »Da hat sie ihre eigenen Schlüsse gezogen?« sagte er ruhig.
    Die Afrikaner waren um die Ecke gebogen; laute Stimmen am anderen Ende der Straße erregten Romys Aufmerksamkeit. Zwei Männer und eine Frau erhoben sich schemenhaft aus der Nacht. Sie wandte sich ab, als sie einen der Männer erkannte.
    »Sind Sie deshalb zu Hause ausgezogen?« fragte sie Caleb. »Wegen der Geschichte, die Sie von mir über Ihre Mutter und Daubeny gehört hatten?«
    »Zum Teil.« Er zuckte die Schultern. »Aber wirklich nur zum Teil. Ich hatte nach dem Militärdienst eine Stellung angenommen, in der ich mich überhaupt nicht wohl fühlte, aber ich ließ mich treiben. Bis mir eines Tages klar wurde, daß ich mir überlegen muß, was ich wirklich mit meinem Leben anfangen will.«
    »Und, wissen Sie das jetzt?«
    »Ja. Sie sehen also, Sie haben mir einen Gefallen getan. Ich brauchte einen Tritt.«
    »Ich wollte nicht –«
    Er hob die Hände zu einer versöhnlichen Geste. »Vergessen wir es einfach, ja? Es ist lange her. Es ist erledigt. Aus und vorbei.«
    »In Ordnung.« Sie schaute zu der kleinen Gruppe auf der anderen Straßenseite hinüber. Die Stimmen der Männer klangen aufgebracht. Fäuste drohten. Die Frau stand etwas abseits, als stumme Beobachterin. Das Licht der Straßenlampe fiel auf ihr scharlachrotes Abendkleid und ihr glänzendes tizianrotes Haar.
    Romy sagte: »Sie erzählten, daß Sie mit Annie Paynter gesprochen haben.«
    »Ja, ich begegnete ihr rein zufällig, als ich bei einer Umzugsfirma gearbeitet habe. Die Paynters wollten umziehen. Anita zeigte mir ihren Bungalow. Da bekam ich zum erstenmal das Gefühl, daß da irgendwas nicht stimmte. Sie machte so ein paar Bemerkungen … Daubeny gab Paynter die Schuld an dem, was damals passiert ist, aber sie waren beide beim Kreiskriegsausschuß für Land- und Forstwirtschaft, und Daubeny als Großgrundbesitzer hatte da natürlich viel mehr zu sagen als Paynter. Bei wichtigen Entscheidungen mußte Paynter bestimmt immer erst auf grünes Licht von Daubeny warten. Und dann erzählte die gute Anita, daß der Laden, den ihr Vater in Swanton St. Michael betrieben hatte, Daubeny gehörte und daß Daubeny der Familie unter die Arme griff, als sie aus Swanton wegging. Offenbar wurde Paynter nach dem Tod Ihres Vaters krank – er hatte einen

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