Das Erbe des Vaters
viel zu erzählen.«
Die Küche befand sich im Souterrain, mit vielen staubigen weißgestrichenen Rohren und einem großen Boiler, der hin und wieder geräuschvoll schnaubte. Der Boden war mit verschiedenfarbigen, beliebig geformten Stücken irgendeines großporigen Steins ausgelegt, der, dachte Evelyn, bestimmt unmöglich sauberzubekommen war.
Celia machte Kaffee. »Es ist natürlich nicht so schön wie das Haus in Hampstead«, sagte sie. »Gerald hat Laura das gemeinsame Haus gelassen, sonst hätte sie ein Riesentheater gemacht. Universitätslehrer verdienen nun leider mal eher bescheiden, und seine Familie hat keinen Penny.« Sie stellte Tassen und Untertassen auf den Tisch. »Aber wir haben einen hinreißenden kleinen Garten. Ungefähr von der Größe eines Taschentuchs. Mitten in Bayswater! Und die Kinder haben viel Platz, das ist die Hauptsache. Kate und Sarah teilen sich das hintere Zimmer, und die Jungs wohnen in der Mansarde.«
»Wie geht es Miles und Charlie?«
»Gut. Sie kommen in den Ferien hierher und Geralds Sohn Jamie ebenfalls. Wir haben ihn im Sommer nur ein paar Tage zu Gesicht bekommen. Laura ist ziemlich besitzergreifend, was den Jungen betrifft.«
»Trotzdem«, sagte Evelyn aufmunternd, »so eine große Familie ist doch was Herrliches.«
»Oh, absolut.«
»Und für Miles und Charlie ist es bestimmt schön, einen Freund zu haben.«
»Ja«, antwortete Celia ziemlich zerstreut. Sie reichte Evelyn eine Tasse. »Aber Miles hat sich schrecklich aufgeführt, als sie das letzte Mal alle zusammen hier waren. Er hat ständig das große Wort geführt.«
»Ach, das ist sicher nur eine Phase«, meinte Evelyn. »Die Jungs werden sich bestimmt bald glänzend verstehen.«
»Natürlich.« Celias Gesicht drückte Zweifel aus.
»Und Henry?« erkundigte sich Evelyn. »Hast du Henry mal gesehen?«
»Das läßt sich gar nicht umgehen.« Celia zündete sich eine Zigarette an. »Das ist das Unangenehme, man kann nicht einmal alle Brücken hinter sich abbrechen.« Sie lachte ein wenig. »Manchmal habe ich den Eindruck, ich sehe Henry häufiger als während unserer Ehe. Entweder wir sind beim Anwalt, oder wir feilschen um die Kinder und ums Geld.« Sie zog stirnrunzelnd an ihrer Zigarette.
Einen Moment lang blieb es still, dann fragte Celia nach Osborne, nach Evelyns Mutter, nach dem Garten, und danach versiegte das Gespräch wieder.
Nach einer Weile sagte Celia unvermittelt: »Du findest wahrscheinlich, daß ich einen Riesenfehler gemacht habe. Genau wie alle anderen – meine Mutter, meine Freunde.« Ihr Gesicht wirkte erhitzt. »Und du findest wahrscheinlich auch, ich hätte mich verändert. Zum Schlechteren. Die anderen sind jedenfalls der Meinung, meine Entscheidung wäre ein Abstieg.«
Es stimmte, Celia hatte sich verändert, dachte Evelyn. Sie war nie eine Schönheit gewesen, aber immer elegant gekleidet und sehr gepflegt. Jetzt trug sie einen Rock, der am Saum einen Fleck hatte, und im rechten Strumpf hatte sie an der Ferse eine Laufmasche. Sie war nicht geschminkt, und das volle dunkle Haar, das stets in einer wie gemeißelt wirkenden Frisur ihr Gesicht umrahmt hatte, fiel ihr ungebärdig auf die Schultern herab. Und trotzdem ging von ihr ein Strahlen aus, das sie vorher nicht gehabt hatte. Sie sieht zehn Jahre jünger aus, dachte Evelyn liebevoll und ein wenig neidisch.
»Natürlich hast du dich verändert«, sagte sie teilnehmend. »So etwas kann gar nicht spurlos an einem vorübergehen. Aber du siehst so zufrieden aus. So – so strahlend.« Sie tippte mit ihrem Kaffeelöffel an die Zuckerdose. »Bitte glaub bloß nicht, daß ich dich verurteile, Cee. Überhaupt nicht. Es tut mir leid, daß ich so – so lahm bin, aber ich habe einiges im Kopf.«
»Geht es um deine Mutter?«
»Auch, ja. Sie wird immer gebrechlicher.« Evelyn hielt inne. Sie mußte sich jemandem mitteilen. Manchmal glaubte sie, sie würde platzen.
»Es geht vor allem um Osborne«, sagte sie und zwang sich, Celia in die Augen zu sehen. »Ich weiß nicht, ob ich ihn noch liebe, Cee. Oft merke ich, daß er mir richtig unsympathisch ist.«
Celia zog die Augenbrauen hoch. »Das ist nur eine Krise, Evelyn. Manchmal haßt man den eigenen Mann einfach.« Sie blickte Evelyn aufmerksam an. »Vielleicht sollten wir lieber etwas Richtiges trinken.« Sie stand auf und ging zum Kühlschrank.
Evelyn sagte leise: »Manchmal denke ich daran, ihn zu verlassen, Cee.« Es war das erste Mal, daß sie den beängstigenden Gedanken laut
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