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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Universum schuf. Eskarina wußte nicht genau, ob Granny dabei Gebrauch von Magie oder Pschikologie machte, aber das spielte eigentlich auch keine Rolle: Es gelang ihr meisterhaft, jeden Widerspruch im Keim zu ersticken und keinen Zweifel daran zu lassen, daß sie die Dinge exakt so beschrieb, wie sie sein sollten.
    Die Zweige des Apfelbaums neigten sich in einer sanften Brise hin und her. Esk hielt sich am Stamm fest und starrte ins Leere.
    Sie dachte an Zauberer. Sie kamen nicht oft nach Blödes Kaff, aber trotzdem erzählte man sich viele Geschichten über sie. Es hieß, sie seien weise und für gewöhnlich sehr alt. Sie beschworen mächtige, schwierige und geheimnisvolle Magie, und fast alle hatten lange Bärte. Darüber hinaus gehörten sie ohne Ausnahme dem männlichen Geschlecht an.
    Hexen erschienen Eskarina zumindest ein wenig vertrauter. Sie kannte einige, die in anderen Dörfern wohnten, und außerdem nahmen sie in den Bräuchen und Traditionen der Spitzhornberge einen festen Platz ein. Hexen galten als schlau und listig, erinnerte sich Esk, und die meisten von ihnen waren sehr alt – oder gaben sich alle Mühe, alt auszusehen. Sie beschworen hintergründige, hausbackene und praxisnahe Magie, und einige von ihnen hatten Bärte. Außerdem gehörten sie ausnahmslos dem weiblichen Geschlecht an.
    Eskarina runzelte die Stirn. Irgendwo in diesem Vorstellungskomplex verbarg sich ein grundlegendes Problem, das sie nicht genau zu erfassen vermochte. Warum konnten Frauen keine Zauberer …
    Sie unterbrach ihren Gedankengang, als Cern und Gulta über den Pfad stürmten und unter dem Apfelbaum bremsten. Staub wirbelte auf. Mit einer Mischung aus Bewunderung und Verachtung blickten die beiden Brüder zu ihrer Schwester hoch. Hexen und Zauberern begegnete man besser mit Respekt, doch Schwestern fielen nicht in diese Kategorie. Der Umstand, daß Eskarina die Hexerei erlernte, schien irgendwie den ganzen Berufsstand abzuwerten.
    »Du kannst überhaupt nicht hexen«, sagte Cern. »Oder?«
    »Natürlich kannst du’s nicht«, fügte Gulta hinzu. »Was ist das für ein Stock?«
    Der Zauberstab lehnte unten am Stamm. Cern beäugte ihn neugierig. »Rührt ihn nicht an!«, bat sie hastig. »Bitte! Er gehört mir.«
    Normalerweise hatte Cern das Feingefühl eines Rammbocks, aber diesmal ließ er die Hand sinken, bevor sie den ›Stock‹ berührte. Überrascht hob er die Brauen.
    »Ich wollte ihn überhaupt nicht anfassen«, erwiderte er verwirrt. »Ist doch nur ein alter Stock.«
    »Stimmt es, daß du zaubern kannst?«, fragte Gulta. »Granny behauptet das jedenfalls.«
    »Wir haben an der Tür gelauscht«, erklärte Cern.
    »Wenn ich mich recht entsinne«, erwiderte Eskarina wie beiläufig, »habt ihr das eben in Zweifel gezogen.«
    »Vielleicht nicht ohne Grund.«
    »Du gibst bloß an.«
    Das Mädchen senkte den Kopf und blickte nach unten. Manchmal gelang es Esk, ihre Brüder zu lieben, wenn sie sich an ihre schwesterlichen Pflichten erinnerte. Aber meistens sah sie in ihnen nichts weiter als störenden Lärm, der lange Hosen trug. Jetzt aber fühlte sie sich nicht nur herausgefordert, sondern auch beleidigt, und als sie Gulta musterte, verglich sie ihn mit einem kleinen häßlichen Schwein.
    Sie spürte, wie ihr Körper zu prickeln begann, und die Konturen der Welt zeichneten sich deutlicher ab als jemals zuvor.
    »Ich kann Magie beschwören«, sagte sie langsam.
    Gulta wandte den Blick von ihr ab, betrachtete den Stab, kniff die Augen zusammen und gab ihm einen entschlossenen Tritt.
    »Blöder Stock!«
    Eskarina fand, daß Gulta einem Schwein immer ähnlicher sah.
    Cerns Gellen alarmierte sowohl Oma Wetterwachs als auch Vater und Mutter Schmied. Sie eilten aus dem Haus, machten sich ein Bild von der Lage und liefen durch den Garten.
    Esk hockte nach wie vor in der Astgabel, und ihre zarte Miene wirkte verträumt und nachdenklich. Cern versteckte sich hinter einem anderen Baum und schrie aus vollem Halse.
    Gulta saß vollkommen perplex in einem Haufen aus Kleidungsstücken, die ihm nicht mehr paßten. Er grunzte leise.
    Granny trat näher, bis sich ihre krumme Nase auf einer Höhe mit der Eskarinas befand.
    »Es ist nicht erlaubt, Menschen in Schweine zu verwandeln«, zischelte sie. »Dieses Verbot gilt sogar für Brüder.«
    »Mich trifft keine Schuld«, erwiderte Esk im Plauderton. »Es passierte einfach. Und du mußt zugeben, daß die neue Gestalt zu ihm paßt.«
    »Was geht hier vor?«, fragte Vater Schmied. »Wo ist

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