Das Erbe des Zauberers
Tausenden von Städtern und einem eher primitiven Müllbeseitigungssystem.
Oma Wetterwachs gönnte sich ein mentales Schaudern. Der Tag blieb ihnen dicht auf den Fersen. Sie hielt nach einem Bereich Ausschau, in dem es größere Abstände zwischen den Fackeln und Lampen gab. Granny deutete das als Anzeichen für arme Stadtviertel und vermutete, daß die dort wohnenden Bürger nichts gegen Hexen einzuwenden hatten. Mit neuer Entschlossenheit setzte sie zur Landung an.
Sie befanden sich nur noch anderthalb Meter über dem Boden, als das Morgengrauen sie zum zweitenmal erreichte.
Das Tor war tatsächlich riesig und schwarz, und es erweckte den Anschein, als bestehe es aus massiver Finsternis.
Granny und Esk standen in der Menge, die auf dem Platz vor der Universität wartete. Neugierig blickten sie an den Mauern hoch.
»Ich frage mich, wie man ins Gebäude gelangt«, sagte Esk schließlich.
»Vermutlich durch Magie«, erwiderte Granny griesgrämig. »Typisch für Zauberer. Normale Leute hätten eine Klinke angebracht.«
Oma Wetterwachs hob den Besen und winkte in Richtung der hohen Pforte.
»Bestimmt muß man irgendeinen Hokuspokus beschwören, damit sich das Tor öffnet.«
Verdrießlich fügte sie hinzu: »Würde mich überhaupt nicht wundern.«
Schon seit drei Tagen hielten sie sich in Ankh-Morpork auf, und Granny mußte zu ihrer Überraschung feststellen, daß sie langsam Gefallen an der Stadt fand. Sie wohnten in den Schatten, einem alten Viertel, dessen Bewohner vorwiegend während der Nacht … nun, arbeiteten. Außerdem steckten sie ihre Nasen nicht in die Angelegenheiten anderer Leute, denn mit Neugier konnte man sich nicht nur die Finger verbrennen, sondern auch ein unrühmliches Ende im Fluß finden. Wer mit einigen handlichen Steinen beschwert wird, die mindestens hundert Kilo wiegen, hat eine nur noch sehr begrenzte Lebenserwartung – es sei denn, er lernt es rechtzeitig, unter Wasser zu atmen. Bisher ist kein solcher Fall bekannt. Esks und Grannys Unterkunft befand sich im obersten Stock eines Gebäudes, das auch die gut bewachten Büros und umfangreichen Lager eines Kaufmanns beherbergte, der mit ehrbarem Diebesgut handelte. Hehler hielten eine Menge von Verschwiegenheit, und das kam der alten Hexe sehr gelegen.
Kurz gesagt: In den Schatten wimmelte es von mißachteten Göttern, konzessionslosen Dieben, Damen, die das Nachtleben liebten (und rasch wechselnde männliche Gesellschaft mit vollen Börsen), Hausierern, verstohlenen Gestalten, die in dunklen Nischen und Gassen verbotene Traumkräuter anboten, übergeschnappten Alchimisten, die behaupteten, es sei ihnen gelungen, Gold in Blei zu verwandeln (was sie bewiesen, indem sie gelbe Münzen entgegennahmen und graue zurückgaben), Schurken, Gaunern, Halunken, Idioten und einigen wenigen Narren, die tatsächlich glaubten, sich mit ehrlicher Arbeit den Lebensunterhalt verdienen zu können. Anders ausgedrückt: Es handelte sich um die Schmiere im Achslager der Zivilisation.
Zwar lebten in jenem Viertel viele Menschen, die normale Magie zu schätzen wußten, aber erstaunlicherweise herrschte ein erheblicher Mangel an Hexen. Innerhalb weniger Stunden verbreitete sich die Nachricht von Grannys Ankunft, und Dutzende von Bittstellern schlichen, krochen oder gingen zu ihr. Sie erkundigten sich nach Elixieren und Heiltränken, fragten nach Talismanen, Unheilsbannern und der nahen Zukunft, bezahlten für persönliche und spezielle Dienste, die Hexen traditionell solchen Personen leisten, in deren Existenz es einige Gewitterwolken oder gar tosende Orkane gab.
Die anfängliche Verärgerung von Oma Wetterwachs wich Verlegenheit, und es dauerte nicht lange, bis sie sich geschmeichelt fühlte. Ihre Kunden brachten Geld mit, das sie durchaus gebrauchen konnte, aber sie beglichen ihre Rechnungen auch mit Respekt, und das war eine besonders harte Währung.
Schon nach kurzer Zeit spielte Granny mit dem Gedanken, sich ein größeres Heim samt Garten zuzulegen und ihre Ziegen holen zu lassen. Aus dem Gestank mochte sich ein Problem ergeben, aber damit mußten ihre Tiere eben fertig werden.
Zusammen mit Eskarina hatte sie weite Streifzüge durch Ankh-Morpork unternommen und sich die Docks angesehen, Dutzende von Brücken, die Märkte und Basare, die Straßen, die von vielen Tempeln gesäumt wurden. Granny versuchte die sakralen Bauten zu zählen und wirkte dabei sehr nachdenklich: In der Regel verlangten Götter von denen, die sie verehrten, sich auf eine Weise
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