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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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aus, die es in einem Mörser zerrieb. »Einen Hexenweg sozusagen.«
    Eskarina blickte auf. Granny gönnte sich ein dünnes Lächeln und begann damit, einen weiteren Zettel zu beschriften. Ihrer Meinung nach stellten solche Aufgaben den bei weitem schwierigsten Teil der Magie dar.
    »Aber vermutlich interessierst du dich nicht dafür«, fuhr sie fort. »Auf jene Weise erringt man nur wenig Ruhm.«
    »Sie haben mich ausgelacht«, brummte Esk.
    »Ja. Darauf hast du schon hingewiesen. Also willst du es sicher nicht noch einmal versuchen. Das verstehe ich.«
    Stille schloß sie ein, nur unterbrochen vom leisen Kratzen des Schreibstifts. Nach einer Weile sagte das Mädchen: »Der Weg, den du meinst …«
    »Mmpf?«
    »Er führt tatsächlich in die Universität?«
    »Oh, natürlich«, sagte Granny leichthin. »Ich habe dir doch versprochen, einen zu finden, nicht wahr? Außerdem ist es ein sehr guter Weg. Du brauchst dich nicht um irgendwelche Lektionen zu kümmern und kannst das ganze Gebäude durchstreifen, ohne daß jemand auf dich achtet … Du wärst praktisch unsichtbar, jawohl. Du könntest dort … aufräumen und saubermachen und so. Aber nachdem man dich ausgelacht hat, hast du bestimmt keine Lust mehr, dich in der Universität umzusehen. Oder?«
     
    »Noch eine Tasse Tee, Frau Wetterwachs?«, fragte Frau Reineweiß. »Fräulein«, sagte Granny.
    »Wie?«
    »Es heißt ›Fräulein Wetterwachs‹«, erklärte die alte Hexe. »Drei Stücke Zucker, bitte!«
    Frau Reineweiß reichte ihr die kleine Schale. Sie freute sich zwar über Grannys Besuche, aber sie mußte dafür einen hohen Preis an Zucker bezahlen. Süßigkeiten hielten sich nie lange, wenn Oma Wetterwachs in der Nähe weilte.
    »Schlecht für die Figur«, sagte sie. »Und auch für die Zähne, habe isch gehört.«
    »Nun, meine Figur war nie der Rede wert, und meine Zähne geben auf sich selbst acht«, erwiderte Granny. Und das entsprach bedauerlicherweise der Wahrheit. Oma Wetterwachs litt an überaus gesunden und nachgerade unzerstörbaren Zähnen, worin sie einen großen Nachteil für eine Hexe sah. Sie beneidete Mütterchen Großapfel, die Hexe auf der anderen Seite des Berges, der es schon im Alter von nur zwanzig Jahren gelang, alle ihre Zähne zu verlieren. Dadurch errang sie frühzeitig den Ruf eines weisen Tantchens. Es bedeutete zwar, daß man sich mit einer aus Suppen bestehenden Diät begnügen mußte, aber andererseits gewann man großen Respekt. Und dann die Warzen. Mütterchen Großapfel schien es überhaupt nicht schwerzufallen, sich ein Gesicht zuzulegen, das wie eine mit Murmeln gefüllte Socke aussah. Granny hingegen wandte sich an die besten Warzenbeschwörer und schaffte es nicht einmal, sich den hexenobligatorischen Nasenpickel wachsen zu lassen.
    »Mmpf?«, frage sie, als sie das demonstrative Seufzen der Haushälterin hörte.
    Frau Reineweiß holte tief Luft. »Isch sagte: Die junge Eskarina ist ein echter Schatz. Ffirklich lieb. Sie hält den Boden blitzsauber. Blitz sauber. Keine Aufgabe ist ihr zu schwer. Gestern sagte isch zu ihr, isch sagte: Dein Besen scheint fast lebendig zu sein. Und weißt du, was sie darauf antwortete?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, brummte Oma Wetterwachs und stöhnte lautlos.
    »Sie antwortete: Der Staub fürchtet sich vor ihm! Kannst du dir das vorstellen?«
    »Ja«, meinte Granny.
    Frau Reineweiß schob ihre Teetasse über den Tisch und lächelte verlegen.
    Granny ächzte innerlich und starrte in die nicht unbedingt klaren Tiefen der Zukunft. Langsam, aber sicher ging ihr die Phantasie aus.
    Der Besen fegte durch den Korridor und wirbelte eine große Staubwolke auf. Wenn man genauer hinsah, schien das dunstige Wallen irgendwo im dicken Stiel zu verschwinden. Und wenn man noch genauer Ausschau hielt, dann konnte man feststellen, daß der Holzstab sonderbare Schnitzmuster aufwies, die nicht eigentlich geschnitzt, sondern aufgeklebt zu sein schienen. Und sie veränderten sich, während man sie betrachtete.
    Doch niemand achtete darauf.
    Esk saß an einem der hohen Fenster und blickte über die Stadt. Sie war ärgerlicher als sonst, und deshalb griff der Besen den Staub mit besonderer Entschlossenheit an. Spinnen eilten auf ihren acht Beinen davon, als die von ihren Ahnen gesponnenen Weben im Nichts verschwanden. In den Mauern schmiegten sich Mäuse aneinander und stemmten sich einem reißenden Sog entgegen. Im Gebälk verborgene Holzwürmer gerieten in Panik, als etwas sie durch ihre

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