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Das Erbe des Zitronenkraemers

Das Erbe des Zitronenkraemers

Titel: Das Erbe des Zitronenkraemers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Kirchen
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allein fortsetzen wollte. Die anderen kauften Verpflegung für ihren Marsch gen Simmern. Natürlich ahnten sie nicht, dass ich die Einheit verlassen würde. Ich würde heimlich verschwinden müssen, bei Nacht.
    Wir kauften Dörrfleisch, Brot, Käse und zerstoßene Gerste. Meine Kameraden beschlossen, in ein Wirtshaus einzukehren. Als wir in die Stube eintraten, wünschte ich, im Erdboden versinken zu dürfen. Denn das Erste, was ich dort erblickte – war er.
     

Kapitel 23
     
    Andreas schlenderte mit dem Rucksack auf dem Rücken durch den schönen Moselort Schleich. Übernachtet hatte er in einer kleinen gemütlichen Pension und vorhin noch ein wundervolles Frühstück genossen. Das Wunderbarste daran war, dass er sich das Brötchen hatte allein schmieren können. Zuhause hatte Claire das immer für ihn übernommen. Aber jetzt hatte er es selbst geschafft. Claire meinte es nur gut, das wusste er. Aber sie nahm ihm viel zu viel ab. Er konnte viel mehr, als er bislang auch nur geahnt hatte. Er würde wieder selbstständig werden. Und deshalb war diese Reise gut. Langsam spazierte er zurück zur Pension. Ausgecheckt hatte er bereits, aber sein Mietwagen stand noch dort.
    Etwas kam ihm seltsam vor. In einiger Entfernung von seinem Auto blieb Andreas stehen. Warum steht ein Streifenpolizist neben meinem Wagen und schaut so neugierig da rein? So ein toller Wagen ist es ja nun nicht gerade, wunderte er sich. Ein weiterer Beamter trat aus der Pension und rief seinem Kollegen etwas Unverständliches zu. Andreas verstand nur ein Wort: „… warten …“
    Dann verschwanden beide Polizisten durch die Eingangstür. Suchen die etwa nach mir? Lässt Claire nach mir fahnden? Andreas griff nach seinem Handy in der Hosentasche und wollte es gerade einschalten, als ihm einfiel, dass er dadurch vielleicht geortet werden könnte. Unsagbare Wut fühlte er in sich aufsteigen. Warum gönnt Claire mir diese Erfahrung nicht? Andreas wollte einfach nur mit sich selbst, mit dieser Armprothese und mit der Vergangenheit seiner Familie zurechtkommen. Ich muss sie unbedingt anrufen, schoss es ihm durch den Kopf. Claire muss unbedingt die Polizei zurückpfeifen. Andreas war außer sich, drehte sich um und stapfte zurück ins Dorf.
    Er suchte nach einer Telefonzelle, fand aber keine. Diese Dinger werden im Handyzeitalter aber wirklich zur Rarität! Kurzerhand klingelte Andreas an einer Haustür und durfte prompt ungestört nach Hause telefonieren.
    Vier Stunden später saß Andreas in einem anderen Wagen, gemietet von Claire und geliefert von einer Düsseldorfer Firma. Die Beamten in der Pension können sich dort gern den ganzen Tag den Hintern platt sitzen, frohlockte er. Auf dem Beifahrersitz neben ihm lag ein großer Umschlag. Andreas war wahnsinnig gespannt. Jetzt musste er nur noch den richtigen Ort finden. Einen Ort, an dem er Ruhe hatte. Ruhe zum Lesen. Sein Herz hätte vor Freude zerspringen können.
    Andreas suchte erneut den Weg hoch zum Zitronenkrämerkreuz. Dort angekommen zog er mit zitternden Fingern die Papiere aus dem Umschlag. Dann stieg er aus und machte es sich auf der Bank bequem. Jetzt wollte er alles wissen.
    Nach einigen Seiten war Andreas im Bilde; er wusste nun, wo er hinmusste. Er wollte Jacobs Reiseroute von damals folgen. Dank der alten Schriften kannte er den Weg. Jenen Weg, den sein Urahn im Jahre 1687 vorausgeschritten war. Mit all seinen Wirrungen.
    Er würde Jacobs Weg von damals folgen. Dieser Weg würde ihn quer durch den Hunsrück führen. Wie Jacob damals. Sein Ziel war die Edelsteinstadt Idar-Oberstein. Die „Stadt der edlen Steine“ wie Jacob sie genannt hatte.
    Zwei Krüppel, beide verfolgt und auf der Flucht, ein Weg, resümierte Andreas bitter.
    Aber wenn mein Vorfahr das vor ein paar Hundert Jahren mit seinem kaputten Bein zu Fuß geschafft hat, werde ich es wohl auch mit nur einem Arm und Auto schaffen!
    Er packte die Papiere ein und stieg in den Wagen. Andreas verspürte für einen ganz kurzen Moment so etwas wie Freude und Hoffnung in seinem Herzen aufflackern.
     
    Andreas überquerte bei Schweich die Moselbrücke und hielt sich Richtung Fell. Er war auf der Suche nach einem ganz bestimmten Dorf, hier sollte sein erstes Etappenziel liegen.
    Thalfinck. Von einem solchen Ort hatte Andreas noch nie etwas gehört. Aber woher sollte er auch all die kleinen Örtchen im Hunsrück kennen? Andreas hielt am Straßenrand und fütterte das Navigationssytem mit seinem Zielort. Aber nicht nur er, sondern auch

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