Das Erbe des Zitronenkraemers
aber wirklich um alles. Schönemann hatte kein Wort mehr verstanden. Sein angeblicher Freund dort draußen hatte doch noch keinerlei Fortschritte gemacht. Hatte er zumindest angenommen. Andererseits, hatte Schönemann überlegt, warum kam er dann nicht mehr? War er mittlerweile etwa erfolgreich gewesen? Hat er den Schmuck und will mich nun hintergehen? Mir meinen Schatz verwehren? „Diese hinterhältige Kreatur“, war es Schönemann ungewollt hörbar für die beiden Beamten herausgerutscht.
„Also, zum letzten Mal, wer ist der Kerl?“, hatte der Beamte daraufhin wiederholt nachgehakt. Schönemann hatte müde den Kopf in beide Hände gelegt und all seine Felle davonschwimmen sehen. „Ich weiß nicht, wer er ist“, hatte er endlich zugegeben. Jetzt war es heraus, er hatte bestätigt, jemanden da draußen zu haben, jemanden, der für ihn arbeitete. Schönemann hatte im Folgenden alles gestanden: dass jener Mann ihn besucht hatte. Im Sommer bereits. Dass dieser sich ihm als Hans vorgestellt hatte, er aber seinen Nachnamen nicht kannte. Dieser Mann hatte behauptet, von Schönemanns Geschichte erfahren zu haben und dass er, Schönemann, ihm leid tue und er ihm unbedingt helfen wolle. Schönemann hatte sich zwar nicht erklären können, weshalb dieser Mann sich anbot, aber letztendlich war es ihm doch egal gewesen. „Wenn dieser Schwachmat mir unbedingt helfen wollte, warum dann nicht? Sonst hätte ich doch eh keine Chance hier drin“, hatte Schönemann sich gegenüber der Polizei zu rechtfertigen versucht. Dieser mysteriöse Hans hätte versprochen, ihm den Schmuck zu besorgen. Er würde das schaffen, hatte er behauptet, mithilfe entsprechender Beziehungen, und er wüsste sogar, wo sich der Schmuck derzeit befände. Schönemann hatte ihm geglaubt. Seitdem hätte Hans ihn regelmäßig aufgesucht, um Bericht zu erstatten. Als Gegenleistung habe er nur die Geschichte von Ambrosius Carove und Giulia hören wollen sowie das Tagebuch von Ambrosius verlangt. Aber dieses Buch hatte Schönemann ja nicht in seinem Besitz und Frau Seifert hätte ja nicht nach dem Buch suchen wollen, obwohl es für sie ein Leichtes gewesen wäre und sie ihm damit einen großen Dienst erwiesen hätte. Aber schon bald habe dieser Hans aufgehört, danach zu fragen. Seltsam, hatte sich Schönemann gewundert, mit einem Male schien ihn das Buch überhaupt nicht mehr zu interessieren.
Nein, Andreas Steinmetz habe mit dieser Sache nichts zu tun, hatte er den Beamten erklärt. Er wäre ein paar Mal hier gewesen, ja. Aber nur, um sein eigenes schlechtes Gewissen zu beruhigen. Andreas Steinmetz sei nichts als ein harmloser, bemitleidenswerter, ehrlicher Trottel.
Warum er denn nicht einfach zugegeben hätte, dass Andreas ihn mit Besuchen beehrte?, hatte die Polizei wissen wollen.
Weil er ihn einfach aus der Sache raushalten wollte, hatte Schönemann erwidert. Er hätte genug durchgemacht, der Junge.
Aber dieser Hans, der wäre anders gewesen, der habe genau gewusst, was er wollte, obwohl er in all der Zeit nichts erreicht hatte. Da der Mann sich aber nicht mehr bei Schönemann hatte blicken lassen, habe er auch keinen Einfluss mehr auf ihn; vermutlich habe der Mann jetzt den Schatz und lasse ihn, Schönemann, hier versauern wie eine faule Zitrone.
„So, den Schmuck wollte er also besorgen, und warum will er dann Herrn Hannes Harenberg aus Bekond umbringen?“, hatte einer der Polizisten nachgehakt.
Schönemann hatte der Atem gestockt. „Er will Hannes Harenberg umbringen?“, hatte er fassungslos und mit ungläubigem Blick gefragt.
Die Chronik der Familie Steinmetz, Teil V
1687
Ich hatte das andere Moselufer noch nicht einmal zur Hälfte erreicht, als ich mich aus einem dumpfen Gefühl im Bauch heraus umwandte und einen Reiter erblickte. In edlem Gewand ritt er auf dem Treidelpfad heran. Er zügelte sein Pferd, an genau jener Stelle, an der ich die Nacht verbracht hatte. Dann stieg er ab, und ich sah, wie er ein blutdurchtränktes Tuch aufhob. Das Tuch des Halunken hatte ich vergessen und liegen gelassen.
Ich nahm wahr, dass Boltera nun den Blick auf das Boot gerichtet hatte. Auf mich. Schnell wandte ich mich dem Fischer zu, der mit dem Rücken zu mir saß und herrschte ihn an, schneller zu rudern.
So behände ich konnte sprang ich aus dem Boot ans Ufer und warf dem Fischer seinen Lohn zu. So rasch wie möglich humpelte ich entlang der weitläufigen Wiesen und Felder. Dann musste ich mich die Weinberge hochkämpfen, um geschwind
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