Das Erbe des Zitronenkraemers
füllen könnt!“
„Nein“, stritt er alles ab, das sei nicht wahr. Wahr sei, er, Boltera, habe die Räuber sehr wohl beauftragt, den Schmuck zu stehlen. Jedoch nur, um dem Schmuck für seinen Freund Ambrosius sicher zu verwahren, bis die Franzosen, und dabei schaute er mit einem giftigen Seitenblick auf meine Kameraden, von Trier abgezogen seien und er sich und seinen Schatz wieder in Sicherheit wähnen konnte. Auf diese Weise hatte er Ambrosius von den Gefahren der Reise abhalten wollen.
Ich aber sei ihm zuvorgekommen, hätte meinen Stiefvater hinterhältig erschlagen und seines Schatzes beraubt, um mich zu bereichern. Er wies mit dem Finger auf mich und funkelte mich bitterböse an.
„Ich glaube Euch kein Wort!“, hatte ich ihn daraufhin angeschrien. „Und niemals hätte ich Ambrosius ein Leid zugefügt, da ich ihn liebte, wahrhaftig wie einen Vater“, fügte ich hinzu. Nur eines einzigen Mordes könne ich mich schuldig bekennen, wenn überhaupt, nämlich an jenem Mann, der Ambrosius die Axt in den Schädel getrieben habe.“
Dann schwiegen wir; und wir fühlten beide, dass ein jeder die Wahrheit gesprochen hatte. Boltera hatte sich hinters Licht führen lassen. Er hatte Geächteten und Dieben vertraut. Sie hatten sein Geld genommen für seinen Auftrag, aber dann auf eigene Faust gehandelt und Ambrosius erschlagen, um den Schmuck für sich zu gewinnen.
Dennoch müsse ich den Schmuck zurückgeben, bestimmte Boltera. Aufbrausend antwortete ich, dies niemals zu tun, der Schatz gehöre mir, da ich ihn damals gefunden hatte.
Aber es sei nicht recht. Ambrosius habe in seinem Testament etwas anderes bestimmt, erwiderte er. Der Schmuck gehöre Thomas, seinem Sohn, dies sei Ambrosius‘ Wille gewesen.
„Und was ist mit mir?“, wollte ich von ihm wissen. Habe Ambrosius mich denn mit keiner Silbe erwähnt? Dies fragte ich, obwohl ich es besser wusste, es vor lauter Gram aber nicht wahrhaben wollte.
Ambrosius habe mich aufgenommen, er habe mir Wohnung, Essen, gute Kleidung und Ausbildung gewährt. Ohne ihn wäre mir nur das elendige Dasein eines Bettlers geblieben, hatte Boltera mir mit hartem Blick erwidert. Ich müsse Gesetz und Ordnung befolgen, Ambrosius‘ Testament ehren und anerkennen. Folglich müsse ich Boltera den Schmuck aushändigen, damit dieser ihn Thomas überbringen könne.
Hierauf erhob ich mich so rasch und in Rage, dass ich um ein Haar den Tisch umgestoßen hätte. „Niemals!“, rief ich aus. Der Schmuck sei nun mein, und wer könne mir überhaupt sagen, dass Boltera die Wahrheit spreche, dass er nicht doch den Schatz für sich selbst haben wolle? Wenn dies alles wahr wäre, so hätte er doch einen Büttel mitgebracht.
Die Büttel hätten zurzeit wahrlich anderes zu tun, bemerkte Boltera betrübt und schaute missmutig auf die Soldaten.
Ob er, Boltera, denn Kunde aus Trier habe?, wollte ich wissen, ob die Stadt gebrandschatzt worden sei, und ob Giulia, Thomas und der kleine Simon überhaupt noch lebten? Kein Wort habe er seit seiner Abreise vernommen, antwortete Boltera verstimmt.
Und dann geschah das Unglück. Oder mein Glück, wie auch immer man es betrachten möchte. Denn Boltera sollte mich danach niemals mehr verfolgen. Einer der Soldaten erbrach sich urplötzlich und in einem ungeheuren Schwall. Das Erbrochene regnete auf Boltera nieder, der sich entsetzt erhob. Ich nutzte den allgemeinen Tumult, verließ unter dem Schutze meiner Kameraden die Gaststätte und kehrte mit ihnen zurück in unser Lager. Schon früh am nächsten Morgen sollte ich Boltera wiedersehen. Aus nächster Nähe beobachtete ich ihn, wie er am Rande des Lagers lauerte; er schien auf mich zu warten. Seine fahle Gesichtsfarbe fiel mir sofort auf, diesen matten Blick in seinen Augen kannte ich inzwischen nur zu gut. Mittlerweile glaubte auch ich nicht mehr, dass er Ambrosius hatte erschlagen lassen. Ich war nun überzeugt, auch Boltera war von den angeheuerten Halunken übertölpelt worden. In mir reifte ein Gedanke heran: Ich musste noch einmal mit ihm sprechen, versuchen, ihn von meiner Unschuld zu überzeugen und ihm erklären, dass der Schmuck rechtmäßig mir gehörte. Also ließ ich ihm durch einen Kameraden eine Botschaft überbringen, in der ich ihm mitteilte, ihn morgen in der Gaststätte treffen zu wollen. Ich beobachtete, wie er die Nachricht entgegennahm und las. Dann ging er seines Weges. Als ich ihm nun am nächsten Tage gegenüberstand, hatte ich die Gewissheit: Meine Vorahnung hatte mich nicht
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