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Das Erbe des Zitronenkraemers

Das Erbe des Zitronenkraemers

Titel: Das Erbe des Zitronenkraemers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Kirchen
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nicht länger zusehen, konnte es nicht mehr ertragen. Genug war genug. Er packte Fernglas und Kamera ein und stieg die knarrende Holztreppe vom Speicher des Nachbarhauses hinab.
    Am nächsten Morgen hatte Hannes eine frühe Verabredung mit Kommissar Lenz. Wahrscheinlich dichten seine Kollegen uns schon eine Affäre an, so oft, wie wir uns in letzter Zeit getroffen haben, dachte Hannes. Erst vor ein paar Tagen hatte er hier die Goldkette samt beiliegendem Liebesbriefchen für Anne abgegeben. Die Kette hatte sich sehr bald als immens wertvoll herausgestellt. Wie nur hat jemand den Carove-Steinmetz-Schmuck ergattern können? Und vor allem, wer?, rätselte Hannes.
    Aber er sagte nichts, er reichte Lenz lediglich den Fahrradschuh. Der Kommissar drehte das Objekt mit staunend geöffnetem Mund mit den Händen hin und her und betrachtete das teure Stück aus jedem erdenklichen Blickwinkel.
    „Woher haben sie den …“, fragte Lenz und machte sich gleichzeitig an einem Stapel Akten zu schaffen. „Mitgehen lassen“, murmelte Hannes. „Was? “ Der Kommissar schien nicht sonderlich geschockt und wühlte geschäftig in seinem Pulk von Papieren. „Ah, hier haben wir es ja … Marke Cube … Marke Cube!“, schrie er freudig heraus und wedelte mit dem Schuh vor Hannes Nase herum. „Das heißt … wir haben ihn?“, fragte Hannes zögerlich. Er konnte es kaum glauben. Sein ungutes Gefühl im Bauch wollte sich nicht auflösen. „Ähm, nein“, gab Lenz verlegen zu, „erst einmal müssen wir die Abdrücke, Größe und so weiter vergleichen. Eine Marke heißt erst mal gar nichts, aber immerhin ist es ein Anfang.“
     
    Chronik der Familie Steinmetz, Teil VII
    Idar, 1687
     
    Hier in Idar begann nun wahrlich mein neues Leben, denn hier erwachte meine Liebe zu den funkelnden, edlen Steinen, die, im Berg versteckt und schlafend, nur darauf zu warten schienen, von mir an die Oberfläche gebracht zu werden, um sie in der Schleifmühle zu hehrem Glanz erstrahlen zu lassen. Und diese Liebe hat niemals mehr aufgehört.
    Das erste Gebäude, auf das ich traf, war erbaut aus rauem und grauem Stein mit einem gewaltigen Wasserrad an seiner Seite, welches sich beständig und mit ohrenbetäubendem Lärm durch große Mengen Wassers aus dem Bach antreiben ließ. Über eine kleine Brücke aus Holzbalken vermochte ich den strömenden Wasserlauf trockenen Fußes zu überqueren, um schließlich an einer niedrigen Tür zu klopfen.
    Ein Kerl mit verstaubtem Gesicht und Haaren und ebenso grau gesprenkelter Kleidung öffnete mir.
    In der Stube umfing mich eine Mischung aus Gerüchen, die ich so nicht deuten oder benennen konnte. Massige Räder aus Sandstein drehten sich geräuschvoll im Kreise, nach außen mit dem Wasserrad verbunden über ein ausgeklügeltes System von Bändern und Seilen, welches hier drinnen allerlei andere, fremdartige und geheimnisvolle Gerätschaften antrieb.
    Einige ebenso verstaubte und schmutzige Männer lagen bäuchlings auf dafür vorgesehen Stühlen und schliffen farbig glänzende Steine an den Sandsteinrädern.
    Dies sei die Rischenschleife, wie ich erfuhr. Die Schleife sei erst vor sieben Jahren erbaut worden und daher mit allen neuartigen Raffinessen ausgestattet, erklärte einer der Männer stolz. Wer ich sei und was ich wünsche?, wollte er von mir wissen.
    „Ich möchte euer Handwerk erlernen“, bekannte ich atemlos und wanderte zielstrebig zu einer kleinen Holztheke. Darauf lag ein formvollendet glatter gerundeter, rötlicher Stein, durchsetzt mit Punkten in allerlei Farben. Zögerlich griff ich danach. „Was ist das? Habt Ihr das geschaffen?“
    „Oh ja“, lachte der Schleifer stolz. Behutsam nahm er mir den Stein aus der Hand. „Dies“, er warf den Stein in die Luft und fing ihn gekonnt mit der anderen Hand wieder auf, „ist ein Jaspis. Ich selbst habe ihn geschürft und zu dieser Form geschliffen.“
    „Wo?“, wollte ich wissen. „Wo ich ihn gefunden habe, meint Ihr? Na, oben in den Stollen, in den Minen im Steinkaulenberg!“
    Des Abends lud ich den Schleifer und seine Kumpanen ins Gasthaus zu Bier und Fleischeintopf ein. Sie sollten mir von ihrem Handwerk erzählen; über alles wollte ich Bescheid wissen!
    Zunächst brauchte ich, wie ich erfuhr, eine Schürfgenehmigung von den Grafen von Oberstein. Dann benötigte ich eine Ausrüstung und ein gerüttelt Maß an Glück. Und dann, ja dann musste ich noch Bürger von Idar werden, denn kein Fremder durfte in die Zunft der Schleifer aufgenommen werden.

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