Das Erbe in den Highlands
bereit.
Sie brauchte einen Plan. Aufgabenlisten hatten schon immer ihre Stimmung angehoben, auch wenn sie gleich darauf alles wieder vergaß. Erster Punkt der Liste: beten, dass es schon Morgen war, dann schnell die Fenster öffnen, um Licht in die Angelegenheit zu bringen. Zweitens, in Augenschein nehmen, was auch immer sie in ihrem Zimmer erwartete (entweder der Unhold oder der blutige Saustall, den er hinterlassen hatte). Drittens, wie der Teufel hinunterzulaufen und Worthington bitten, sie für den Rest ihres Lebens auf seinem Stockwerk schlafen zu lassen. Viertens, die ersten drei Punkte vergessen, zur Eingangstür hinaus
und die Straße entlang rennen und nie wieder einen Fuß auf Seakirks Boden setzen.
Nein, Nummer vier kam nicht in Frage. Das hier war ihr Zuhause. Sie hatte nicht vor, es zu verlassen.
Ohne sich Zeit für weiteres Nachdenken zu lassen, warf sie die Decken ab und rannte vom Bett zum Fenster. Mit zitternden Händen riss sie die Vorhänge auf. Noch nie in ihrem Leben war sie über den Anblick von Sonnenschein so froh gewesen.
Sie legte ihre Hände an die warmen Fensterscheiben und atmete ein paar Mal tief durch. Wie schlimm der Boden wohl aussah? Sie würde Worthington holen, damit er ihr half, das Blut wegzuschrubben. Wenigstens war der Boden aus Holz. Derartige Flecken aus einem Teppich herauszubekommen, wäre mörderisch gewesen.
Mörderisch? Was für eine geschmacklose Wortwahl.
Vor Angst, dem Tod ins Auge zu blicken, drehte sie sich ganz langsam um. Was sie stattdessen zu Gesicht bekam, war ihr Schlafzimmer, und das sah überhaupt nicht anders aus als gestern. Stirnrunzelnd ging sie durchs Zimmer zu der Stelle, an der das Monster gestanden hatte. Alles völlig sauber. Sie ließ sich auf die Knie nieder und strich mit der Hand über den Boden. Nichts. Kein Blut, kein Gedärm, keine Sauerei. Absolut nichts.
Sie setzte sich mit einem Plumps. Das war doch verrückt. Letzte Nacht hatte sie einen Zombie/Unhold gesehen, und er hatte sie zu Tode erschreckt. Kampfbereit sprang sie auf. Er musste doch irgendwelche Beweise hinterlassen haben: eine abgewetzte Stelle, ein Stück zerrissener Kleidung, einen Tropfen Blut.
Dreißig Minuten später gab sie sich geschlagen. Da war nichts. Hatte sie alles nur geträumt? Sie ging wieder zum Fenster, sank auf den Fenstersitz und ließ sich vom Anblick des Gartens besänftigen. Zu viel ferngesehen? Vielleicht das Abendessen. Worthington hatte zum Nachtisch eine sündhaft reichhaltige Mousse zubereitet, und sie hatte zwei Portionen davon gegessen. Möglicherweise eine durch zu viel Zucker hervorgerufene Halluzination?
Und vielleicht, überlegte sie mit einem wehmütigen Lächeln, spielte ihr auch nur ihre Phantasie einen Streich. Hatte sie nicht schon als Kind immer zu Albträumen geneigt? Jedes Monster, das sie im Kino oder Fernsehen gesehen hatte, suchte sie nachts heim. Letzte Nacht, das war nur ein verrückter Traum, musste ein Traum gewesen sein. In ihrer Burg spukte es nicht. Sie glaubte nicht an Gespenster.
Reiß dich zusammen, Buchanan, schalt sie sich streng. Du lieber Himmel, wie lächerlich sie sich doch gemacht hatte. Worthington war wahrscheinlich gerade dabei, im Irrenhaus des Ortes einen Termin für sie zu vereinbaren. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Hoffentlich vergaß er es mit der Zeit und schrieb es dem Jetlag und zu vielen Romanen zu. So jedenfalls würde sie es machen.
Während einer fast unanständig langen Dusche dachte sie über ihre Pläne für den Tag nach. Je eher sie die Möbelstücke in den anderen Schlafzimmern aufgelistet hatte, desto eher konnte sie das Zeug loswerden und etwas ändern. Gut wäre, wenn sie mittelalterliche Kopien auftreiben könnte. Oder sie würde nach zeitgemäßen Stücken suchen. Ihr Schlafzimmer war einfach vollkommen, und sie wollte die anderen im gleichen Stil einrichten.
Wenn man schließlich über einen Blankoscheck verfügte, warum sollte man ihn nicht nützen?
Am selben Abend saß Genevieve auf dem Sessel mit der hohen Lehne, den Worthington ihr an den Kamin gerückt hatte, und sah zu, wie ihr Butler mit Bedacht noch einige Holzscheite nachlegte. Wahrscheinlich gab es einen Raum, der gemütlicher war als der große Rittersaal, aber sie hatte tagsüber keine Zeit gehabt, danach zu suchen, und gedachte nicht, entgegen ihrer vorherigen Überlegungen bezüglich Gespenster, es nachts zu tun. Der riesige Kamin würde sie vorläufig schon warm halten.
Worthington richtete sich auf und verbeugte
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