Das Erbe in den Highlands
sich kurz vor ihr. »Falls Sie keine weiteren Wünsche haben ...?«
Rasch setzte sie sich auf. »Oh, gehen Sie noch nicht. Bleiben Sie und genießen Sie das Feuer mit mir.«
»Mylady, ich würde mir nie erlauben ...«
»Erlauben Sie es sich, oder Sie sind gefeuert«, antwortete sie nur halb scherzend. Sie wollte noch nicht auf die Annehmlichkeit menschlicher Gesellschaft verzichten und war bereit, alles Mögliche zu tun, damit sie ihr erhalten blieb. Worthington blinzelte höchstens ein oder zwei Mal, ehe er gehorsam einen anderen Sessel heranzog und sich setzte, um ihr Gesellschaft zu leisten.
Mangelnde Gesellschaft war an diesem Tag eigentlich nicht ihr Problem gewesen. Eine ganze Armee von Reinigungskräften war aufgetaucht und hatte die Burg vom Dach bis zum Keller geschrubbt. Worthington hatte die Arbeiten wie ein Garnisonskommandant überwacht. Die Mannschaft aus dem Dorf war flink und gründlich und arbeitete, als könne sie nicht schnell genug wieder draußen sein. Genevieve waren die mitleidigen Blicke in ihre Richtung nicht entgangen. Was bedeuteten sie? Bemitleideten die Dorfbewohner sie wegen ihres neuen Reichtums? Sie hatte sich die Kontoauszüge angesehen. Bei all den Nullen hinter dem Pfundzeichen war ihr ganz schwindlig geworden. Welcher Buchanan diesen sagenhaften Reichtum auch angehäuft hatte, er war ein verdammt helles Köpfchen gewesen.
Oder wurde sie bemitleidet, weil sie sich um einen so riesigen Besitz kümmern musste? Sie hatte an diesem Nachmittag nur die Zeit gehabt, die fünf grässlichen Schlafzimmer zu durchstöbern, war aber überzeugt, dass es noch zehnmal so viele Räume in der Burg gab.
Oder wurde sie bemitleidet, weil sie nicht die geringste Chance hatte, hier rauszukommen, sobald die Tür der großen Halle verriegelt war?
Ihr sträubten sich die Nackenhaare, und sie unterdrückte den Drang, über die Schulter oder nach oben zu schauen. Hier im Haus war nichts. Worthington wirkte nicht ängstlich. Ja, er sah im Feuerschein, der auf seinem silbrigen Haar lag, und mit dem friedvollen Ausdruck im Gesicht geradezu heiter aus.
»Worthington? - Ja, Mylady.«
»Ist Ihnen irgendetwas Seltsames an der Burg aufgefallen?«
»Seltsames?«, erwiderte er mit fragender Miene.
»Seltsam«, wiederholte sie. »Sie wissen schon, so wie merkwürdig. Ungewöhnlich. Paranormal«, fügte sie beiläufig hinzu.
Worthington lächelte vage. »Die Burg mag über gewisse Eigenheiten verfügen.«
»Eigenheiten?« Wieso verwendete eigentlich jeder dieses Wort?
»Mylady«, antwortete er bedächtig, »diese Burg steht hier, in mehr oder weniger gutem Zustand, schon seit dem Mittelalter. Wie sollte sie da im Lauf der Zeit nicht so etwas wie eine eigene Persönlichkeit entwickelt haben?«
Eine eigene Persönlichkeit. Natürlich. Darauf hätte sie selbst kommen müssen. Aber wenn sich diese eigene Persönlichkeit nun in Form eines Gespenstes manifestierte? Damit zu leben, würde sie lernen können. Und wenn das Gespenst sich einmal damit abgefunden hatte, dass sie nicht verschwinden würde, könnte es wahrscheinlich auch lernen, mit ihr zu leben. Alles in allem könnte daraus eine ziemlich freundschaftliche Beziehung entstehen. Du erschreckst mich nicht, und ich bestell nicht die Geisterjäger, um dich auszutreiben. Vielleicht ein etwas unfreundliches Stillhalteabkommen, aber es könnte funktionieren.
Genevieve ging es schon entschieden besser. Tatsächlich fühlte sie sich wieder so gut, dass sie nicht protestierte, als Worthington ein Gähnen unterdrückte und bat, sich zurückziehen zu dürfen. Mit einem freundlichen Winken entließ sie ihn und lehnte sich zurück, um das Feuer zu genießen. Sie zog die Beine auf den Sessel und schlang ihre Arme um die Knie. Ja, so ließ es sich leben.
Das Ganze würde noch viel besser werden, wenn sie endlich entdeckte hatte, wo sich die Bibliothek verbarg. Einen ganzen Tag mit Lesen zu verbringen, klang immer verführerischer. Genau das brauchte sie, um die letzten Spuren des Jetlag zu überwinden. Sie schloss die Augen und lächelte voller Vorfreude. Ein ganzer Tag mit Träumereien über ihre wunderschöne Burg, und dass sie einen edlen, mutigen Ritter beherbergte ...
Rums!
Sie riss die Augen auf und rappelte sich in ihrem Sessel hoch. Mit Entsetzen blickte sie auf das, was da vor ihr zitterte, keine Handbreit von der Sesselkante entfernt, über die sie ihre Zehen hatte baumeln lassen.
Ein Schwert, an dessen Knauf ein dicker, fetter Smaragd funkelte. Und auf
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