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Das Erbe

Das Erbe

Titel: Das Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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auf den Namen Mark de Vincenz gedeutet.
    »Das war mein Vater. Aber er ist nicht damals bei der Expedition auf dem Ghost gestorben. Er war Polizist. Wir haben in Berlin gelebt. Vor zwei Jahren ist er bei einem Undercover-Einsatz erschossen worden. Es ging um Drogen. Er wurde in eine Falle gelockt. Sie haben auch meine Mutter ermordet. Robert hat sie gesehen. Und jetzt suchen sie nach uns.«
    Julia und Robert, damals noch Laura und Ralph de Vincenz, hatten ihren Namen geändert und waren ans Grace College gekommen, nein … geflüchtet, hatte Julia gesagt. »Es war die ideale Möglichkeit, um unterzutauchen. Wir haben nur diese Kontaktadresse in London. Wir dürfen unsere Identität nicht preisgeben.«
    Robert hatte sie unterbrochen. »Ich habe meine Mutter sterben sehen.« Er blickte von einem zum anderen. »Ich hab mich oft gefragt, ob ich nicht besser mit ihr gestorben wäre. Ich hätte nur einfach aus meinem Versteck kommen müssen.« Robert hatte eine Weile gebraucht, bevor er fortfuhr. »Aber ich wusste, dass Julia jeden Moment nach Hause kommen konnte. Versteht ihr? Es hätte keinen Sinn gehabt zu sterben, wenn ich Julias Leben retten konnte.«
    Erst jetzt, in diesem Klassenzimmer mit Tom vor Augen, begriff Rose, was er wirklich gemeint hatte. Robert hatte mit seiner Geschichte den Weg vorgegeben. Es war so einfach, sich als Held zu fühlen. Aber zu sterben, war nicht das Schlimmste, was einem passieren konnte. Manchmal war der Tod eine verdammt gute Entschuldigung, dem Leben zu entfliehen.
    »Miu Eliza Chung.« Katie hatte sich neben Julia gestellt und auf die verwitterten Buchstaben gedeutet. »Das ist meine Mutter. Sie war mit auf dem Ghost. Sie lebt in Washington.«
    Das Tal betraf sie alle. Das war es, was sie am Gedenkstein begriffen hatten. Denn da waren noch andere Namen gewesen.
    Tom sah lächelnd auf die Uhr. »Ihr erinnert euch noch an Regel Nummer eins? Drei Minuten.« In Rose stieg Ekel hoch. Wie er die Situation genoss! Abartig!
    Sie musste das Richtige sagen. Jetzt in diesem Moment. Den einen ultimativen Satz. Sie überlegte fieberhaft. Was Tom versuchte, war, einen Keil zwischen sie zu treiben. Er wollte sie zu Einzelkämpfern machen. Er ahnte etwas von ihrer Verbindung. Vielleicht, weil Benjamin ihm davon erzählt hatte. Aber sie durfte das nicht zulassen.
    Sie fixierte einen nach dem anderen. Katie. Julia. Debbie. Zuletzt Chris. »Wir sind ein Team.« Sie holte tief Luft. »Wir gehören zusammen. Wir haben es geschworen. Wir machen nicht dieselben Fehler wie die auf dem Berg. Uns verbindet mehr. Nicht nur ein Experiment. Wir sind noch nicht fertig mit dem Tal und es nicht mit uns. Er …« Sie deutete auf Tom. Er war es nicht wert, dass sie seinen Namen aussprach. »Er will, dass David kommt, und er wird kommen. Er wird uns nicht im Stich lassen. Nicht David. Du weißt das, Chris.«
    Ihre Worte fühlten sich an wie der Nebel dort draußen. Man griff in die Luft und hielt nichts in den Händen außer Wassertropfen.
    Wieder kam Katie ihr zu Hilfe. Sie löste sich von ihrem Platz auf dem Boden, machte einige Schritte in die Mitte des Raums und packte Chris an den Schultern.
    »Glaub mir, Chris. Mir geht es wie dir. Ich würde ihm am liebsten in die Eier treten. Aber so blöd bin ich nicht. Genau das ist es doch, was er will. Endlich einen Grund, einen von uns abzuknallen. Also reiß dich, verflucht noch mal, zusammen.«
    Dann drehte sie sich um und stellte sich genau zwischen Julia und Tom. Mit einem Schritt war Rose an ihrer Seite.
    Chris sah erst zu Tom, dann zu Rose und Katie. Endlich siegte sein Verstand über seine Wut. Mit einem Satz war er bei ihnen und schob sich vor seine Freundin.
    Damit war klar: Egal, was Tom geplant hatte, Julia würde nicht sein erstes Opfer sein. Sie waren keine Statisten und schon gar keine Pappfiguren.
    Aber die Zeit war zu kurz, um die Genugtuung, die Rose spürte, zu genießen. Wenn sie geglaubt hatten, die Situation zu beherrschen, so hatten sie sich getäuscht.
    Der laute Knall, der im nächsten Moment ertönte, dröhnte in ihren Ohren.
    Acht Namen auf einem Grabstein.
    Dreißig Jahre, die vergangen waren.
    Eine Vergangenheit, die ihre Fäden zog. Wieder einmal.
    Es war Zeit, den Kokon, von dem sie doch tatsächlich gedacht hatte, sie hätte ihn längst verlassen, endgültig abzustreifen.
    Diese acht Namen hatte sie damals kurz vor Weihnachten, bevor sie in den Winterferien nach Hause fuhren, zum ersten Mal richtig gelesen.
    Und ihr Blick war an einem hängen

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