Das Erbe
lassen.
Gut gemacht, Rose.
Worte besaßen eben doch Macht. Manche glaubten sogar, sie könnten die Welt verändern. Aber ihr genügte, wenn sich der eine oder andere die Frage stellte, ob er es ihr nicht nachtun sollte. Es ging ihr nicht darum, den Märtyrer zu spielen. Diese Zeiten waren vorbei. Nein, es ging darum, nicht einem Einzelnen, in diesem Fall Tom, die Führung zu überlassen.
»Sonst noch jemand, der sich freiwillig melden will?«, fragte Tom. Er versuchte, lässig zu klingen, aber der Ärger in seiner Stimme war unüberhörbar.
Die Spannung war unerträglich. Rose sah sich im Raum um. Keiner rührte sich. Manche blickten einfach weg. Eine Art von Erstarrung legte sich über den Raum.
»Wir können David nicht im Stich lassen«, sagte sie und fügte hinzu: »Er würde dasselbe tun.«
»Ich werde Julia nicht verlassen«, sagte Chris.
»Ich gehe auch nicht«, hörte sie Katie. »Scheiß drauf, ich bleibe.«
Eine Art von Euphorie erfasste Rose.
Sie waren schon zu dritt.
Und wer sagte, dass sie sterben mussten? Sie hatte es geschafft, Toms Pläne zu durchkreuzen. In dem Moment, in dem er mit Schwäche gerechnet, mit ihren Ängsten gespielt hatte, zeigte sich plötzlich eine dritte Dimension. Es ging nicht um die Frage zu überleben, sondern zu leben.
»Das könnt ihr nicht von mir verlangen.« Debbie sprang auf. Und fast war Rose beruhigt. Denn es war die alte Debbie, die sich zeigte. »Ich will hier raus. Ich muss hier raus. Ich weiß nicht, was mich das alles angeht.«
Ihr Gesicht war fleckig. Fast schien es, als ob die Sommersprossen sich immer weiter ausbreiteten, größer wurden, bis ein dunkles Orange bis hinunter zum Hals reichte.
»Niemand kann verlangen …«
Rose hatte fast vergessen, wie schrill Debbies Stimme sein konnte. Die Ähnlichkeit mit dem Meerschweinchen, das sie als Kind besessen hatte, wurde immer deutlicher.
»Keiner verlangt von dir, Deb, dass du bleibst. Es ist deine Entscheidung …«, erklärte sie ruhig.
»Und Davids«, kreischte Debbie. »Er mag mich nicht. Keiner mag mich. Er wird jemand anderen wählen. Er wird mich hierlassen. Weil ihm scheißegal ist, was mit mir passiert.«
»Halt die Klappe, Debbie«, Katies Stimme war laut, bestimmt und ruhig. »Halt einfach die Klappe. Ich werde David höchstpersönlich anrufen, dass er dich gehen lässt. Weil ich dich nämlich nicht länger ertragen kann, okay? Und ja, ich mag dich nicht. Du gehst mir einfach nur auf die Nerven.«
Und dann begann Tom zu lachen. Er schüttelte den Kopf, aber diesmal lag kein Lächeln auf seinen Lippen.
»He, ich bestimme hier. Vergessen?« Er deutete auf den Kasten vor ihm auf dem Tisch. »Ihr denkt noch an die Sache mit dem Showdown, oder? Wenn das Ding in die Luft fliegt, seid ihr tot, versteht ihr? Tot.«
Katie und Rose hatten sich nicht abgesprochen. Aber vielleicht gab es so etwas wie Karma. Rose nahm sich vor, Katie danach zu fragen, wenn das alles vorbei war. Wenn sie es geschafft hatte, das zu überleben. Ihre Gedanken überschlugen sich. Das Zeichen, dass sie sich in einem Ausnahmezustand befand. Fast, als wäre sie betrunken, obwohl sie seit der Sache mit J. F. keinen Schluck mehr getrunken hatte.
Jedenfalls bewegten sie sich gleichzeitig. Katie und sie. Sie traten auf Julia und Chris zu und stellten sich an ihre Seite. Und Chris? War es ein Wunder? Rose spürte, wie ruhig er wurde, während Toms Nervosität auf einer Skala von eins bis zehn die Neun erreichte.
»Was seid ihr bloß für Idioten.« Wieder dieses falsche Lachen. »Ihr kapiert es nicht, oder? Ihr denkt, ihr habt einen eigenen Willen? Ihr könntet über euer Leben bestimmen? Ihr täuscht euch.« Er hob die Pistole und fixierte die Studenten im Raum, einen nach dem anderen. Und jedes Mal tat er so, als würde er abdrücken.
Peng!
»Ich bin es immer noch, der entscheidet.«
Peng!
»Hier geht es um etwas völlig anderes, als ihr denkt. Es ist egal, wer stirbt und wer nicht. Es geht darum, dass ihr euch eurer Bedeutungslosigkeit bewusst werdet. Es geht darum, dass David kapiert, endlich kapiert, wie es sich anfühlt, jemanden tot zu wissen, den man liebt. Ohne Grund, versteht ihr. Einfach weil ICH es will.«
17. Im Zeichen des Hundes
Niemand will es wahrhaben, aber alles hängt mit allem zusammen. Irgendjemand hatte vor langer Zeit das Böse in die Welt gelassen und seitdem existiert es. Eine Tat zog die andere nach sich. Seit Menschengedenken.
Das Böse existierte und mir war immer klar gewesen, dass Jacob
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