Das Erbe
sich freiwillig zur Geisel.«
»Was, wenn ich Nein sage?«
»Er gehört zu den wichtigsten Menschen in meinem Leben.«
»Wenn du es sagst.«
Ich spürte die Sekunden verrinnen, während er schwieg. Es war ein geradezu körperlicher Schmerz. Meine Finger krallten sich so fest in das Handy, dass ich fürchtete, es könnte jeden Moment zerspringen. Aber ich hielt aus und schwieg beharrlich.
Bis Tom endlich sagte: »Okay. Im Grunde ist es egal.«
18. Im Zeichen der Schlange
Während Tom telefonierte, versuchte Rose, irgendetwas von dem Gespräch mitzubekommen. Es erwies sich als aussichtslos. Sie war zu weit entfernt und hörte gar nichts. Keine Satzfetzen, keine einzelnen Worte, nicht einmal ein Atmen. Bis Tom schließlich das Gespräch mit den Worten beendete: »Okay. Im Grunde ist es egal.«
Er klang ungeduldig, so, als ob ihm alles plötzlich über den Kopf wachsen würde. Die Hand, die das Telefon in die Manteltasche fallen ließ, zitterte leicht. Er kniff die Augen zusammen und ein nervöses Zucken trat an die Stelle des Grinsens, an das sich Rose bereits gewöhnt hatte.
Kein gutes Zeichen. Was, wenn Tom wieder die Regeln änderte? Wenn er sie, Rose, freiließ? Wenn David ihren Namen genannt hatte? Aber nichts würde sie dazu bringen, Julia hier allein zu lassen. In ihrem Kopf entwickelte sich bereits ein Plan, wie sie sich weigern würde, durch die Tür zu gehen.
Tom trieb die Spannung auf die Spitze. Vermutlich war das seine Art und Weise, sich wieder zu fassen. »Oh Shit! Ich hätte mir eine Pizza bestellen sollen. So eine, die vor lauter Käse trieft … Wer weiß, wie lange das hier noch dauert. Und das Frühstück ist schon ziemlich her, oder? Hat irgendjemand Hunger? Margherita, Calzone, Quattro Stagione?«
Niemand rührte sich.
»He, ich habe euch ein Angebot gemacht, das ihr nicht ablehnen könnt.« Er breitete die Arme aus. »Und aus welchem Film stammt das …?« Sein Kopf drehte sich, musterte sie, einen nach dem anderen. »Niemand? Hab ich es hier mit lauter Banausen zu tun?« Seine Stimme veränderte sich. »Lass niemals deine Feinde merken, was du denkst.«
Er hat Angst, dachte Rose. Er wiederholte sich selbst, die Stellen stammten wieder aus dem Paten. Jetzt spielt er nicht, um zu gefallen, sondern um sich hinter der Rolle zu verstecken. Und unwillkürlich suchte ihr Gehirn nach einem Drehbuch, das als Vorbild für diese Szene, für das ganze Drama, dienen konnte. Ihr fiel nichts ein.
»Du verfluchter Hurensohn, was soll das?«, durchschnitt Chris’ Stimme plötzlich das Schweigen. »Du genießt das auch noch. Wie krank ist dein Hirn eigentlich?«
»Deine Stimme flattert, Bishop. Wovor hast du Angst? Dass dich dein Freund … Freeman ist doch dein Freund, oder? Ach, nein, da gab es ja ein Problem. Zwei Männer lieben dieselbe Frau. Tja, der schöne David, der so gerne euer strahlender Held wäre.« Tom hörte plötzlich nicht auf zu reden. Es war, als schöpfe er dadurch neue Zuversicht. »Du hast Schiss, dass er dich auf die Liste gesetzt hat? Oder fürchtest du, er will dich retten?«
»Wenn das vorbei ist«, gab Chris zurück. »Dann knall ich dich ab.«
»Wenn das hier vorbei ist, bist du tot.« Tom lachte. »Aber ich verstehe schon, ihr sehnt euch nach dem Showdown. Könnt es nicht mehr abwarten. Das verstehe ich wirklich. Keine Sorge. Ich bin ein guter Regisseur.«
Er ging hinüber zu Mrs Hills Leiche. Rose hatte sie mit Julias Strickjacke zugedeckt. Tom kümmerte sich nicht um das fast unhörbare Aufstöhnen, das durch das Zimmer ging. Er griff einfach in Mrs Hills Tasche, nahm den Schlüsselbund heraus und schwenkte ihn in der Luft.
Rose wurde übel.
»Also, Leute. David hat seine Entscheidung gefällt. Ihr stellt euch jetzt in einer Reihe auf. Bishop, du machst den Anfang. Julia geht ganz nach hinten. Der Rest ist mir egal.«
Kaum hatte er den Satz beendet, drängten sich schon die Studenten nach vorne. Jeder wollte der erste sein, nur Rose und Katie zögerten.
Debbie hatte es geschafft, den Platz direkt hinter Chris zu ergattern.
»Hände über den Kopf und im Nacken verschränken«, befahl Tom.
Arme gingen nach oben. Nur Debbie war so auf sich konzentriert, dass sie den Befehl entweder überhörte oder nicht wusste, was genau Tom meinte. Sie starrte auf den Ausgang, als könne sie sich so auf die andere Seite der Tür beamen.
»Deborah Wilder. Bist du taub?«
Verwirrt sah Debbie von einem zum anderen. Ihre zahlreichen Armbänder klirrten, als sie endlich die
Weitere Kostenlose Bücher