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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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verrostet. Ich öffnete sie und puhlte zwei zerfressene Batterien heraus. Ich durchsuchte die Schränke nach den Gläsern, aus denen sie immer getrunken hatte. Ich fand sieben, nahm aber nur eins. In das Kristall waren kleine Veilchen eingeritzt, ganz oben am Rand. Der Boden war dick. Ich weiß noch, wie groß ihr eines Auge dadurch aussah, wenn sie das Glas leerte und einen demonstrativen Sauflaut ausstie ß, um klarzustellen, dass sie noch mehr wollte. Der Aschenbecher stand auf der Anrichte, der, den sie immer benutzt hatte. Groß genug für ein Fest mit zwanzig Gästen. Jetzt war es unmöglich, auch nur eine Zigarette darin auszudrücken. Er schien in Mentholasche zu ertrinken. Ich sah, dass er aus königlich dänischem Porzellan und vermutlich kostbar war, aber ich spülte ihn und steckte ihn ein. Danach einige Bücher, während Ib mir den Rücken zukehrte und glaubte, ich schaue mich nur um. Bücher über das Theater, Biografien und Anekdoten. Ich weiß, dass sie gewollt hätte, dass ich sie bekam, und ich hätte sie auch bekommen, wenn ich Mutter oder Ib gefragt hätte, aber das hier ging nur Oma und mich an. Ich fand zwei alte, zerfledderte Hefte, die mit Omas Schrift voll geschrieben waren, und Zeitungsausschnitte und Liedtexte. Ich steckte alles ein. Die Dinge, die mir nicht so viel bedeuteten, konnte ich mir ganz offen schenken lassen.
    »Glaubst du, Lotte möchte den Webpelz?«, fragte ich.
    »Den findet sie schrecklich. Nimm ihn nur, Schatz.«

I ch zog ihn an. Ein wenig schmutzig war er, aber weich und vornehm. Weiß mit rosa Seidenkanten, breitem Kragen und untertassengroßen Knöpfen. Er reichte mir bis zu den Knien. Wenn ich den Kragen zu meinem Gesicht hochklappte, sah ich aus wie eine Diva. Ich drehte mich vor dem Spiegel. Er stand mir wirklich, und er war wieder modern.
    »Groß war ihr Glück im Musentempel ...«
    »Stellst du dich hier in Positur?«, fragte Mutter.
    »Ach, ich hatte dich nicht gehört, ich dachte, du seist unten im Garten ...«
    »Jetzt nicht mehr. Der steht dir.«
    »Ib hat gesagt, ich könnte ihn haben.«
    »Ja, Himmel, nimm ihn nur. Alles, was an sie erinnert ... Der hat wohl keinen Merkzettel? Mit dem Namen der Erbin?«
    »Das haben die Kleider doch alle nicht?«
    »Doch, die Kostüme bestimmt.«
    »Wo sind die?«
    »In zwei riesigen Koffern unter ihrem Bett.«
    »Können wir die nicht ansehen?«
    »Nein, das geht nicht. Ich kann ihren Anblick nicht ertragen, du. Außerdem hat Ib sie schon dem neuen Theatermuseum versprochen, die lieben diesen alten Müll. Die Koffer sind abgeschlossen, die müssen aufgebrochen werden. In einem Jahr kannst du ins Museum gehen, dann sind sie dort sicher ausgestellt,
mit begleitenden Rollenbildern und dem ganzen Schamott...«
    »Bist du sauer?«
    »Nein, nur müde. Und ich habe das hier schon satt. Ich wünschte, wir könnten den ganzen Kram verkaufen. Heute noch. Alles, außer dem Porzellan. In der Garage einen Flohmarkt für die Nachbarschaft veranstalten, das würde den Leuten gefallen. Sie hat sich doch mit allen zerstritten, nachdem Dasse ausgezogen war.«
    »Aber es gibt doch so etwas wie Erbrecht, Mutter. Und ich und Stian sind außer dir und Ib ja die Einzigen, die ...«
    »Jetzt hast du dieses verflixte Bild und den Pelz. Und eine Armbanduhr habe ich gefunden, ich habe sie auf den Tisch neben dein Sofa gelegt. Sie gehört eigentlich mir, aber dein Name stand drauf. Wenn du dir außerdem noch etwas Porzellan nimmst ... und ich habe die Reise bezahlt, das muss ja wohl reichen, zum Henker.«
    »Der Schnaps steht drüben bei Ib«, sagte ich.
    Ich hörte, wie sie zu Ib sagte: »Der Garten ist total zugewachsen, aber ich habe doch immerhin den Springbrunnen mit dem Satyr freigelegt. Ein echter Springbrunnen muss den Preis doch wohl hochtreiben. Wo ist mein Glas?«

    Wenn es regnete, durfte ich mit den Knöpfen spielen. Und bei Regen wurde konsequent der Springbrunnen abgedreht. Es hatte doch keinen Sinn, bei Regen Wasser zu verspritzen, so sah Oma das. Und dann wurde die Knopfschachtel hervorgeholt. Nicht weil ich den Regen nicht gemocht und mich im Haus gelangweilt hätte, sondern weil das bei Oma der Fall war. Sie konnte mir erzählen, wohin jeder einzelne Knopf gehörte, wo und wie das entsprechende Kleidungsstück sein Ende gefunden hatte.
    Wir kippten sie alle auf den Mahagonitisch, der immer geputzt wurde, bis das Holz in tiefem Orange loderte. Die Knöpfe
rutschten hin und her und spiegelten sich. Die meisten waren handgemacht, mit

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