Das Erbstueck
kriegst auch eine Flasche, wenn du mir das Rollenheft bringen kannst. Aber es eilt.«
»Nächste Woche. Aber den kann ich eben nicht. Noch nicht. Elverhøj?«
»Na gut. Den zweiten Akt von Elverhøj.«
Frau Psst schloss die Augen, holte tief Atem und legte los: »Zweiter Akt ein Kabinett auf Højstrup links im Vordergrund ein Fenster mit Blick auf den Garten auf derselben Seite im Hintergrund Eingang zu einem Nebenzimmer erste Szene Bjørn Olufson allein steht vor dem offenen Fenster und redet zum Garten Bjørn Doppelpunkt: Wie beliebt gedämpftes Licht still still Ihr braucht nicht so laut zu sprechen bedenkt dass Mauern versteckte Ohren haben können ja jetzt verstehe ich ha Herrgott Ihr müsst die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen . . .«
»Sehr schön. Anne-Tove, ich hole den Wein. Also, nächste Woche. Das Rollenheft. Das ist dann abgemacht. Das vergisst du doch nicht, oder?«
»Er ist hier«, fauchte plötzlich Tutt hinter ihr.
»Wer? Munk?«
»Der gestern mit dir nach Hause gegangen ist.«
»Die Sardelle? Igitt!«
»Er winkt dir. Aber es kommt nicht in Frage, dass du ihn wieder mit nach Hause nimmst. Ist das klar?«
Aber da er sich die Haare gewaschen hatte und seine Geldklammer noch immer prall gefüllt war, kannte Malie nur Lachen und Koketterie. Er lud auch Tutt ein, und Malie dachte, eigentlich könne die ihn haben, sodass Käse-Erik weiter an den Rand gedr ängt würde. Aber die Vorstellung einer Nacht auf der Straße sprach sie überhaupt nicht an. Außerdem flüsterte die Sardelle plötzlich etwas von einem Hotelzimmer. Ach, dann war er also ebenfalls verheiratet.
»Was passt dir denn an meinem Zimmer nicht?«, fragte sie.
»Ich weiß ja, dass du da nicht allein wohnst. Ich habe die Rasiersachen gesehen. Und ich will keine Scherereien machen.«
Die Rasiersachen gehörten Tutt, sie waren für die Beine, aber
Malie flüsterte der Sardelle dramatisch zu: »Still, still, auch Mauern können versteckte Ohren haben . . . das ist aus Elverhøj, zweiter Akt, erste Szene.«
»Mein Gott, was bist du faszinierend. Und wie geht es der kleinen Muschi?«
»Soll das vulgär sein?«
»Der Katze! Ich meine die Katze. Das war keine Anspielung auf deine . . . dein . . .«
»Sie ist tot.«
»Die Katze?«
»Ja, die Katze. Gehen wir. Ich hätte Lust auf ein Schaumbad. Ja, denn das Zimmer hat ja wohl eine Badewanne?«
»Selbstverständlich, meine kleine Prinzessin. Selbstverständlich.«
Sie war dicht genug an ihn herangetreten, um an seinem Schnurrbart zu schnuppern. Der war sauber. Dann brauchte sie ihm nur noch die Socken auszuziehen, dann konnte sie ihn durchaus noch eine weitere Nacht verwenden.
Um fünf Uhr am nächsten Morgen erwachte sie zwischen Eiderdaunen, einen angenehmen halben Meter von der schnarchenden Sardelle entfernt. Es war ein riesiges Zimmer. Der Mann hatte Geld. Oder er war verliebt.
Malie fand es wunderbar, zwischen Nacht und Tag zu erwachen, einfach dazuliegen und sich ein Leben zu erdichten, während sie die Neige der Nacht auskostete und nichts wichtig war, außer zu existieren. Sie musste mit niemandem sprechen, wurde nicht gesehen, brauchte sich nicht zu waschen, brauchte nicht aufzuräumen, brauchte nicht in Kostümen, die nach fremdem Schweiß und Parfüm aus der letzten Spielzeit rochen, über gebrechliche Bühnentreppen zu laufen. Brauchte noch nicht ganz zur Wirklichkeit zu erwachen. Eine wichtige Zutat zu diesen stillen Morgenstunden war ein Mann, der dort lag. Ein Mann, der ihr nichts bedeutete, ein Mann, der sie verehrte und ihre vielen
schmeichelhaften Lügen hinnahm. Ein Mann, den sie jederzeit wecken und in sich hineinbitten konnte. Ein Mann, den sie ebenso gern verließ, während er noch schlief.
Sie reckte sich behaglich im Bett, nippte an schalem Sekt ohne Perlen und stellte sich vor, wie Lola-Lola auf der Bühne des Folketheaters die Hüften schwenkte. Sie wäre eine Bombe in dieser Rolle, sie würde den armen Professor Unrat und die drei Schulbuben triezen, bis die nicht mehr wüssten, wohin mit ihren feuchten Wurstfingern. Sie würde den Saal zum Kochen bringen. Genau wie Marlene würde sie so geliebt werden, dass niemand ihr die Schuld an Unrats Ende geben könnte. Es war unmöglich, einer so charmanten jungen Frau Vorwürfe zu machen – Unrats Fiasko war ausschließlich seiner Lächerlichkeit geschuldet, seiner Eifersucht und seiner Begierde.
Ihr blieb jetzt nur eins. Nein, es waren zwei Dinge. Zuerst das Essigwasser, dann schnurstracks zu Bæppe
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