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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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Munk, um ihm klar zu machen, dass die Rolle vergeben sei. Es eilte. Sie konnte nicht einmal auf das Rollenheft warten, ehe sie ihm das mitteilte.
    Aber zuerst noch eine Runde mit der Sardelle. Er war eigentlich niedlich, wenn er schlief. Sein Mund unter dem Schnurrbart war weich wie der eines Kindes. Sie leckte seine Lippen, bis er erwachte. Von den Socken hatte sie ihn schon längst befreit.
    »Bald erwacht die Welt«, flüsterte sie. »Wenn wir uns beeilen, können wir noch ein paar Sektkorken knallen lassen, ehe die Pflicht ruft.«
    »Ach, du Wunderbare . . . du gehörst mir . . . . gehörst du nicht mir?«
    Auf so eine blöde Frage gab sie erst gar keine Antwort.

D ie Fassade der Porzellanfabrik war eine Mutter. Eine beschützende Mutter, deren Umarmung ihm offen stand. Willkommen daheim, mein Sohn. Wo warst du denn? Was, bis oben nach Norwegen?
    Ja, und schau her, Mutter, was ich auf der Heide gefunden habe! Heidekraut, und ich habe Schwäne am Himmel gesehen, sie wurden in der Sonne kohlschwarz, und der Strandhafer funkelte wie Silber. Und der Haugfossen und die Farbdarre und die Schmelzhütte und der Arsenturm und die Glashütte, das alles war so schön, meine Mutter!

    Der Skizzenblock lag strotzend in seiner Tasche, dick und lebendig wie ein Tier.
    Er ging durch das Tor zur Smallegade und ließ das Klappern seiner Schuhsohlen auf dem Pflaster von den Mauern widerhallen. Hier kam er. Zurück von seiner Bildungsreise. Während andere nach Deutschland und Frankreich fuhren und ihre Seelen von Gedichten, Theater und Absinth überschwemmen ließen, reiste er in den hohen Norden und vertiefte sich in die Geschichte seines Arbeitsplatzes, mit Skizzenblock und lebensgefährlichem Schwarzgebranntem, der in Flaschenverschlüssen angeboten wurde. Dänen auf Bildungsreise kamen unterwegs immer nur mit anderen Dänen mit denselben hochfliegenden Zielen zusammen, aber er selber hatte einen Einheimischen kennen gelernt.
Am letzten Tag seiner Reise war er sogar zu dem Einheimischen eingeladen worden und hatte zwischen schmutzigen Sofakissen in einem grauenhaften Karomuster aus groben Kreuzstichen gesessen und trockene, dünne, eisenrote Scheiben von etwas gegessen, das der Mann als geräuchertes Rentierfleisch ausgegeben hatte. In dieser Nacht hatte er in seinem Pensionszimmer die ganze Kanne voll Waschwasser ausgetrunken, ohne daran zu denken, wie alt das vielleicht war.
    Niemand sollte behaupten, die Reise sei kein Erfolg gewesen. Er hatte Modums Seele gefunden und auf Papier gebannt. Auch Siverts hochragende Gestalt mit der Pfeife war skizziert worden, vor allem Sivert zuliebe. Mogens ließ ihn in dem Irrglauben, dass sein Konterfei einst unter delikat angerichtetem Eis mit Makronen versteckt sein würde, vermutlich auf einem königlichen Mittagstisch.
    Sivert hatte zehn steife Minuten hindurch unbeweglich Positur gestanden, lange nachdem seine Pfeife erloschen war.

    »Schon wieder da?« Carl-Peter hatte seinen Bereich ausgeweitet und alles durcheinander gebracht. Mogens schluckte seinen Ärger hinunter und erwiderte: »Ich war eine ganze Woche weg.«
    »Ich dachte, du wärst nur ein paar Stunden draußen gewesen. Du bist außer Atem. Bist du die Treppen hochgerannt?«
    Das stimmte sogar. Drei Etagen hoch, einfach so, wo er doch sonst immer auf jedem zweiten Absatz eine Pause einlegte und den Geruch des glühenden Porzellans aus den Öfen in sich aufnahm.
    »Ach was, eine ganze Woche. Dann hat deine Zungenspitze sich sicher neue Nahrung aus dem Mundwinkel geholt.«
    Er gab keine Antwort. Carl-Peter zog ihn immer wieder damit auf, dass er beim Malen die Zungenspitze aus dem linken Mundwinkel ragen ließ, wie ein kleiner Junge.
    Er zog seinen knöchellangen Malerkittel über seine Kleidung und fing an, seinen Arbeitstisch sorgsam aufzuräumen und zu
säubern. Carl-Peter mischte auf seiner Palette die Farbe, ohne ihn auch nur anzusehen, er empfand es offenbar nicht als Vorwurf, dass Mogens zwei volle Aschenbecher auf seine Seite hinüberschob.
    Als Mogens sich endlich setzen und Atem holen konnte, ließ er seinen Blick zu den Fenstern hinübergleiten, zu den Baumkronen und dem Nieselregen, der die Bäume und die neuen Sprosse bedeckte, und auch das Gras und die Steinplatten tief unten. Er ließ seinen rechten Ellbogen auf der Stützplatte ruhen und betrachtete seine Hand. Seine Finger spreizten sich von selber, wie die Federpracht eines Pfauhahns.
    »Aber willst du nicht anfangen? Heute sind Untertassen an der Reihe.

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