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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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–«
    »– dass, sollte uns nicht die Rambaud belogen haben, Karl nicht der Dauphin ist !«
    Lange Zeit darauf sprach nur das Bächlein neben ihnen.
    Dann löste sich Goethes starrer Blick in einem schweren Seufzen auf.
    »Was ist?«, fragte Schiller. »Sprechen Sie!«
    »Je nun … Ich habe es die ganze Zeit geahnt.«
    »Gift und Operment! Sie wussten –?«
    »Ich ahnte es. Von Anfang an, gestehe ich.«
    »Seit Mainz?«
    Goethe schüttelte den Kopf. »Seit Weimar.«
    »Seit Weimar ? Aber wie –«
    »Ich spüre es, wenn mir Carl August nicht die Wahrheit sagt. Es muss etwas in einer Freundschaft liegen, das alle Lügen entlarvt.«
    »Beim neunten Kreis der Hölle, Mann! Sagen Sie mir um des Himmels willen nicht, dass wir diese waghalsige Irrfahrt hinter uns gebracht, derweil Sie längst ahnten, dass wir unser Leben für einen Betrüger aufs Spiel set zen! Dass Sie uns schon rekrutiert mit der Ahnung, für eine Lüge zu kämpfen!«
    Die Szene wurde zum Tribunal, und wäre Goethe ein anderer Mann gewesen, Schiller hätte ohne Zweifel mit seinen wild gestikulierenden Händen Goethes Revers gepackt, um seinen Vorwürfen Nachdruck zu verleihen.
    »Aber Karl ist ein guter Mensch«, wandte der Geheimrat ein. »Das müssten von allen doch gerade Sie erkannt haben.«
    »Er ist zuvörderst ein guter Schauspieler ! Was von seiner Menschlichkeit nun auch gespielt war, wer kann’s sagen? Er ist der Kopf doch dieser Charade! Ist er es nicht?«
    »Wie ich die verschleierte Madame de Botta einschät ze, ist er nur ihr Instrument.«
    »Dann stecken sie alle unter einer Decke? Karl, die Botta, der Holländer, der tote Brite? Und wer ist dieser Karl überhaupt, der mir plötzlich so fremd ist?«
    »Wer er ist, woher er kommt, ich weiß es nicht, doch er ist zweifellos hier, weil er dem Dauphin so täuschend ähnlich sieht.«
    »O Gott, der Dauphin«, stöhnte Schiller, an den wahrhaftigen Louis-Charles erinnert, und er lief auf dem schmalen Pfad auf und ab wie ein gefangenes Tier, derweil er sich mit beiden Händen durch den roten Bart fuhr. »Ist tot, ist längst Staub, ist doch gestorben, einsam im Turm an seinen Leiden zugrunde gegangen, die unglückliche, jammervolle junge Seele.«
    »Doch Karl ist gerettet!«, sagte Goethe. »Und heiligt nicht der Zweck die Mittel? Ist nicht die Hauptsache, dass der Tyrann Napoleon gestürzt wird und der Flickenteppich des Deutschen Reiches nicht endgültig von ihm zerrissen? Und dass ein aufgeklärter, fortschrittlicher König Frankreichs Zepter ergreift?«
    »Fortschrittlich, ja – fortschrittlich und falsch.«
    »Sagen Sie nicht selbst, man solle auf den Gehalt, nicht auf den Stempel achten? Ist und wird Karl nicht alles, was wir uns gewünscht haben? Vielleicht liegt auch Fortschritt darin, dass ein Namenloser ohne blaues Blut König wird und die Gleichheit des Menschengeschlechts voranbringt!«
    Hier blieb Schiller stehen. »Genug, genug Ihrer Sophisterei, es ist ein schlüpfrig glatter Grund, auf den Sie sich begeben, denn angenommen, Karl rettet Frankreich und Deutschland, dann tut er es dennoch um den Preis einer Lüge. Wie sollte das Zeitalter der Wahrheit mit einer Lüge beginnen können? Wenn er auch kein Prinz ist, so verdient er einer zu sein? Dieser Weg ist krumm, es ist der meine nicht. Und wüssten unsre Genossen davon, sie würden augenblicklich die Waffen niederlegen.« In Goethes Widerblick lag eine Frage, die Schiller sogleich beantwortete: »Oh, ich werde schweigen, denn Sie sind mein Freund. Was sollte es auch bringen, wenn wir einander noch mehr Köpfe einschlagen. Schweigen werde ich, ja, lügen freilich nicht; ich, der betrogene Betrüger.«
    »Ich danke Ihnen. Sie können fürderhin alles von mir verlangen, mein teurer Freund. Aber was hätte es geän dert, wenn ich Ihnen damals in meinem Studienzimmer – «
    »Sprechen Sie nicht weiter, ich bitte Sie, denn je mehr Sie sprechen, je mehr offenbaren Sie, dass Ihre Ahnung um Karls wahres Wesen von Anbeginn keine Ahnung , sondern ein Wissen war. – Ich sonderbarer Schwärmer!«, sagte er und lachte hierbei seltsam bitter. »War ich denn wirklich eitel genug, zu denken, ich würde einen echten König erziehen?«
    Schweigend sah Schiller in den Wald hinein, als sähe er einem fortfliegenden Traume nach, und schüttelte da bei immerfort den Kopf. Dann hustete er in seine Faust.
    »Ist Ihnen wohl?«, fragte Goethe. »Wollen wir zurückkehren?«
    »Ob mir wohl ist? Mir? Mir ganz und gar nicht – mir wahrhaftig nicht«,

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