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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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Heidelberg und werde jedem von euch einen Platz in meinem Herzen bewahren; selbst dir, Freund Karl. Es war mir eine Ehre, mit euch zu streiten, aber ich kann menschenmöglich nicht verweilen. Fragt nicht nach meinen Gründen.«
    Sofort waren alle drei auf den Beinen, Karl sogar noch mit den Spielkarten in der Hand, und bestürmten Arnim ungeachtet seiner Bitte mit Fragen und versuchten mit allem Nachdruck, ihn zum Bleiben zu bewegen, denn schließlich wäre Humboldt alsbald mit dem Herzog zurück und das triumphale Ende ihres Abenteuers in greifbarer Nähe. Doch Arnim war taub für ihre Einwände, und als er spürte, wie das Wasser in seinen Augen wallte, machte er sich von ihnen los und tat die ersten Schritte seiner Heimreise. Ihm entgegen aber kam, von allen Menschen, Goethe.
    »Salve«, grüßte der Geheimrat so vollkommen aufgeräumt, als hätte das Ereignis auf dem Rabenfelsen nie stattgefunden. Und als er des Durcheinanders gewahr wurde, fragte er: »Was gibt es?«
    Wiewohl nun alle Augen auf ihn gerichtet waren, antwortete ihm niemand; Arnim wollte, die anderen konnten es nicht. Arnims Hände krallten sich fester um die Riemen seines Ranzens.
    »Wohin wollen Sie –«, begann Goethe zu fragen, aber er konnte den Satz nicht zu Ende bringen, denn nun fiel ein Schuss. Das L’Hombre-Blatt, das Karl bis eben noch in der Hand hielt, wurde ihm von unsichtbarer Hand entrissen und durch die Luft geschleudert. Karl blickte verblüfft auf seine leere Hand und dann auf die anderen, ganz so, als wäre er soeben Opfer eines Taschenspielertricks geworden. Eine der Spielkarten am Boden war durchlöchert, und nur knapp hatte den berittenen Buben darauf die Kugel verfehlt. Doch niemand reagierte – mit Ausnahme von Kleist. »Deckung!«, rief er und sprang hinter einen der großen Felsbrocken, die vor dem Eingang zum Musentempel verteilt lagen.
    Die anderen folgten nun seinem Beispiel, Schiller voran, und kaum dass Karl sich in eine Mulde hinter einen Stein geworfen hatte, schlug eine zweite Kugel in selbigen ein.
    »Ha!«, rief Schiller. »Wem galt das?«
    »Ich glaube – mir«, entgegnete Karl und machte sich noch flacher.
    Kleist hatte inzwischen beide Pistolen von seinem Lager ergriffen. Er richtete sich auf, feuerte erst mit links, dann mit rechts in den gegenüberliegenden Wald auf ein verborgenes Ziel. Eine der Kugeln traf ihren unsichtbaren Angreifer. Holz splitterte, als ein Körper aus ein oder zwei Klaftern Höhe von einem Baum fiel. Erst dann ertönte ein Schrei.
    »Werde Staub! Und über deiner Gruft schlage ewige Vergessenheit zusammen«, geiferte Kleist.
    »Haben Sie ihn?«, fragte Goethe.
    Kleist schüttelte den Kopf, während er in Windeseile seine Waffen nachlud. »Das sind etliche.«
    »Der Ingolstädter?«
    Wie zur Bestätigung fiel ein weiterer Schuss und zerschlug an der Felsdecke.
    »Wie im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit hat er uns nach all den Wochen –«
    »Ganz gleich! Nicht ohne Blut räumt er das Feld«, knurrte Schiller. »Kinder! Nun gilt’s! Wir sind verloren, oder wir müssen fechten wie angeschossene Eber!«
    Salamandergleich kroch er über den Boden, wo ihre Pistolen und die französischen Musketen lagen, und verteilte die Feuerwaffen samt Patronen, Pulverhörnern und Bleisäckchen. Es waren insgesamt ausreichend Waffen, jedem Mann standen zwei zur Verfügung, ein unschätzbarer Vorteil, denn so würde jeweils ein Lauf auskühlen können, während der andere geladen wurde. Sich selbst nahm Schiller die Armbrust und eine Pistole. Schnell hatte jeder eine Patrone in der Hand, riss das Papierhütchen auf, gab Pulver ins Rohr und Papier und Blei hintendrein, und stopfte alles darin fest. Schiller zog derweil mit der Winde die Sehne seiner Armbrust stramm. Arnim nahm Ranzen und Hut ab. Karl löschte auf Kleists Anraten ihr Lagerfeuer, indem er Sand darauf häufte. Jeder suchte nach einer Schanze, die ihn vor den Kugeln der anderen verbarg, ohne das eigene Schussfeld zu behindern. Die sichere Deckung des Musentempels war ihr Trumpf in diesem Gefecht.
    Es fielen keine weiteren Schüsse, aber den Geräuschen aus dem Unterholz nach zu urteilen, den geflüsterten Absprachen und dem Knacken toter Zweige, sammelten sich ihre Gegner auf der anderen Seite der Senke.
    Arnim schlug mitten in einem stillen Stoßgebet die Augen auf: »Bettine!«, rief er. »Sie ist noch immer dort draußen!«
    »Du kannst nichts daran ändern«, sagte Schiller. »Hier kannst du nicht fort.«
    »Ich muss! Sie ist

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