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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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fünf Minuten verstrichen seien.
    »Ihr wollt den Handel machen«, sagte Karl mit dünner Stimme. »Ich seh’s in deinen Augen, Friedrich. Du wünschst, dass ich gehe.«
    »Nein. Ich wünsche, dass du es wünschst. Aber die Entscheidung werden wir dir allein überlassen, sosehr Heinrich auch poltern mag. Wenn du zu bleiben wünschst, dann bleib, und wir werden mit dir kämpfen, mit dir sterben.«
    Karl legte beide Hände auf sein Antlitz und rieb es. In den Handflächen klangen seine Seufzer hohl wider.
    »Sie werden dich wohlbehalten nach Mainz bringen. Wir haben dich einmal befreit, es wird uns auch ein weiteres Mal gelingen. Dein Werdegang ist wahrlich ein Katalog von gelungenen Fluchten. Ich verspreche dir, dass ich dich nicht aufgeben werde.«
    »Ich habe Angst.«
    »Ich auch, Karl. Aber es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken. Gedenke deiner Eltern, die ihren schwersten Gang mit hoch erhobenem Haupte antraten. Ein guter Gedanke stählt des Mannes Herz.«
    Karl löste die Hände vom Gesicht und blickte Schiller an, als wollte er ihm widersprechen. Weißer Staub und schwarzes Pulver waren in wunderlichen Mustern auf seiner Haut verrieben.
    »Wie ist dein Entschluss?«
    Karl antwortete nicht, sondern nickte nur.
    »Das ist mein König!«, rief Schiller aus und schloss ihn lächelnd in die Arme. »Ich bin stolz auf dich, mein Karl. An seinen Taten sollen sie Louis’ Sohn erkennen!«
    »Kann ich noch meine Habe zusammenraffen?«, fragte Karl mit Blick auf seinen Ranzen und einige seiner Habseligkeiten, die in Unordnung neben dem Feuer lagen.
    »Sicherlich. Es ist keine Eile mehr.«
    Schiller ließ seinen Zögling allein, im Wissen, dass dieser die kostbaren Minuten noch einmal nutzen würde, um in sich zu horchen und sich auf die Mühsal der kommenden Zeit vorzubereiten. In seiner Miene lasen die anderen drei, dass es Schiller gelungen war, Karl zu überzeugen. Kleist tat einen Seufzer der Erleichterung.
    »Die letzte Minute ist angebrochen!«, rief der einäugi ge Capitaine.
    »Ja doch, Sie kriegen Ihren Mann«, entgegnete Goethe. »Er kommt gleich zu Ihnen herunter.« Zu seinen Kameraden sagte Goethe: »Ladet alle Waffen, und habt sie griffbereit bei euch. Für den Fall, dass diese Schelme uns übertölpeln wollen, soll es sie teuer zu stehen kommen. – Herr von Kleist, Ihr Ziel sei –«
    »– Hagen von Ingolstadt? Mit dem größten Vergnügen. Ein Rohr zielt auf sein Herz, das andre auf sein gesundes Auge.«
    Die vier richteten sich hinter ihrer Verschanzung für den kommenden Austausch ein, als plötzlich Arnim frag te: »Wo ist Karl?«
    Alle wandten sich um. In der Tat war von Karl keine Spur, und auch der Ranzen, den er hatte packen wollen, war verschwunden. Schiller rief nach ihm.
    »Hölle, Tod und Teufel!«, fluchte Kleist. »Wo steckt der Lumpenhund?«
    Wie ein verfolgtes Raubtier suchte Kleist den Musentempel im Zwielicht mit den Augen ab und hernach den benachbarten Wald, aber es gab keine Möglichkeit, wie Karl von allen vieren ungesehen den Felsvorsprung hätte verlassen können, ganz abgesehen davon, dass die Franzosen zweifellos das Feuer auf jeden Flüchtigen eröffnet hätten. Es war schlicht, als hätte Karl nie existiert. Schiller rief abermals und ein drittes Mal und mit jedem Male lauter, aber vergebens.
    »Heilige Mutter Gottes«, sagte Arnim. »Er hat sich in Luft aufgelöst.«
    »Possen!«
    »Die Zeit ist um!«, rief Santing.
    »Hören Sie«, antwortete Goethe stockend, »der Dauphin ist – fort, wir können ihn nicht ausliefern … obgleich wir es beschlossen hatten, er wird, wie es scheint, vorerst nicht kommen.«
    Von dieser Antwort verblüfft, ließ Santing die Waffe kurz sinken. »Fort? Wie, fort ? Wollen Sie mich zum Nar ren halten? Wohin fort?«
    »Wir wissen es selbst nicht.«
    »Nun, ich werde Ihnen schon auf die Sprünge helfen«, sagte er und spannte den Hahn seiner Pistole an Humboldts Schläfe.
    Das konnte Kleist nicht länger sehen: Er stellte sich zu voller Größe auf, beide Pistolen auf Santing gerichtet, und sagte: »Wage es, Bluthund, und du tanzt eine Quadrille mit dem Tod!«
    Humboldt versuchte zu sprechen, aber der Knebel verdarb die Worte in seinem Mund. Der Capitaine stellte sich sogleich hinter ihn, um Kleist kein Ziel zu bieten, und dergestalt zog er Humboldt mit sich zurück in den Wald.
    Zum Entsetzen seiner Gefährten schickte sich Kleist nun an, ihm aus der Sicherheit des Musentempels heraus zu folgen. »Auf! Das Blut des besten Teutschen

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