Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
Vom Netzwerk:
haben sie sich in mir verrechnet. – Gedenken Sie denn schweigend über die Begebenheiten der letzten Wochen hinwegzugehen, als hätten Sie nimmer stattgefunden?«
    »In der Tat. Ich ziehe mich zurück in mein Haus wie Diogenes in die Tonne und halte mich künftig heraus aus dem Großen und Ganzen. Unser Abenteuer bewies nur einmal mehr, dass Poeten in der Politik nichts verloren haben. Fremde Länder lasst für sich selbst sorgen, und den politischen Himmel betrachtet allenfalls einmal Sonn- und Festtags.«
    »Interessant. Denn ich habe die vollkommen gegenteilige Ansicht daraus gewonnen.«
    Dieser Dissens ließ die Freunde den Rest des Weges schweigen. Am Markt kaufte Schiller mit den wenigen Münzen, die er noch bei sich trug, einen Strauß Blumen für Charlotte, um ihren Zorn über seine späte und ver wahrloste Wiederkehr zu mildern. An der Ecke von Frauentorstraße und Esplanade nahmen die beiden Abschied voneinander. Schiller drückte sein Bedauern darüber aus, dass er keinem ihrer Kameraden hatte Lebewohl sagen können, weder Humboldt, der ihnen entrissen worden war, noch Arnim, Kleist oder Bettine, die grußlos gegangen waren – und nicht einmal Karl, denn obgleich er sie belogen hatte und desertiert war, gelang es Schiller noch immer nicht, ihn zu hassen. Für einen Moment erinnerte er sich der Hoffnung, Ziehvater eines aufgeklärten Kö nigs von Frankreich zu werden, und sagte dann: »Der Traum war göttlich. Doch er ist verflogen.«
    »Verachten Sie mich nun, weil ich, wie Sie es sagen, ein Fürstendiener bin?«
    Schiller schüttelte den Kopf. »Ich weiß den Mann von seinem Amt zu unterscheiden.«
    Lächelnd reichte ihm Goethe die Hand. »Leben Sie wohl.«
    »Wie oft haben wir das nicht schon gesagt.«
    »Und wie oft werden wir es noch sagen. – Und nun entschuldigen Sie mich, denn die Tonne, oder vielmehr: der Waschbottich, ruft. Ich stinke wie eine Iltishaut.«
    »Ich hingegen denke einen langen Schlaf zu tun«, sag te Schiller. »Dieser letzten Tage Qual war groß. Ich werde sorgen, dass Lolo mich nicht zu zeitig weckt.«
    Goethe blickte dem bärtigen Schiller mit seinem Blumenstrauß in der Hand nach, bis dieser in seinem Haus verschwunden war, und kehrte dann ebenfalls heim. Als ihm Christiane die Tür öffnete und unter dem Bart und den Lumpen ihren Mann erkannte, brach sie in Tränen aus. Eine Stunde später war sein heißes Bad bereitet.

11
    ESPLANADE

    Noch bevor Goethe, wie es seine eigentliche Absicht war, nach Bad Tennstedt aufbrechen konnte, um sich daselbst bei einer Schwefelwasserkur von den zurückliegenden Strapazen zu erholen, befiel ihn ein schweres Nierenleiden, und er musste das Bett hüten. Doktor Stark zeigte sich überaus besorgt um ihn, und wenn ihn der Schmerz schüttelte, wünschte er sich so manches Mal, eine Kugel der Bonapartisten hätte ihn damals getroffen, und er wäre einen schmerzlosen schnellen Tod der Art gestorben, wie ihn sich Kleist und Arnim immer erträumt hatten, und nicht diesen elenden Hausvatertod. Das Leben in Weimar und der Welt zog draußen an ihm vorbei. Von Geheimrat Voigt, der ihm eine Visite abstattete, erfuhr er lediglich, dass die Frau, die sich Sophie Botta genannt hatte, mit dem Mann, den sie Karl Wilhelm Naundorff genannt hatten, Weimar verlassen hatte – in Begleitung des Barons de Versay, dessen wahrer Name zweifelsohne auch ein anderer war. Von Bettine hörte Goethe nichts, also musste er annehmen, dass sie sich entweder mit Wielands Erlaubnis in Oßmannstedt eingerichtet oder aber sich ohne seine Hilfe auf den Heimweg nach Frankfurt gemacht hatte. Dafür traf bald ein Schreiben ein, das zu seiner Genesung ungemein beitrug, denn Alexander von Humboldt meldete in einigen knappen Zeilen, dass er sicher und wohlauf und den Franzosen um Santing entkommen sei und dass er seinerseits mit großer Erleichterung von der Wiederkehr seiner Genossen gehört habe. Ein Datum fehlte auf dem Schreiben ebenso wie eine Adresse. Goethe war überglücklich, und er ließ Schiller ein Billet mit dieser erfreulichen Kunde zukommen.
    Gegen Ende des Monats verringerten sich die Koliken, und als der Mai kam, fühlte sich Goethe wieder ausrei chend bei Kräften, um mit Christiane, die täglich für sei ne Genesung gebetet hatte, einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Sie promenierten durch den Ilmpark bis zum Römischen Haus, überquerten den Fluss auf der nächsten Brücke und liefen auf der anderen Uferseite zurück. Im Gartenhaus hatten die Diener Kaffee

Weitere Kostenlose Bücher