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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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rückte mal hier eine Weste zurecht, mal dort einen Säbel. »Wie schön ihr seid in eu erm Putz! Man möchte darüber fast zum Soldatenliebchen werden.«
    Arnim schimpfte über das Loch in seiner Jacke. Mit einem Tuch versuchte er, zumindest das Blut abzuschrubben, aber der rote Saft wollte seinen Mühen zum Trotze nicht weichen.
    »Tja, Siegen geht so rein nicht ab«, sagte Kleist.
    »Machen Sie es wie Napoleon selbst«, riet Goethe. »Der pflegte, wie er noch Korporal war, seine Uniform, wenn sie schmutzig war und kein Ersatz zur Hand, schlechthin umzukrempeln.«
    Arnim half sich schließlich damit, dass er den Patronengurt so über die Schulter legte, dass dieser das blutige Loch im Gewand bedeckte.
    Nun wurden die echten Gardisten in ihrer Hütte mit ausreichend Wasser und Nahrung für die nächsten Tage versorgt. Goethe versprach ihnen, dass Madame de Rambaud, sobald auch sie nach getaner Arbeit freigelassen war, einen Trupp zur verlassenen Glashütte führen wür de, der die Soldaten dann befreite – in drei, spätestens vier Tagen, gesetzt den Fall, sie hatten sich nicht schon früher aus eigener Kraft befreit. Goethe ließ sich ihre Namen geben und verteilte auch diese wie die Uniformen unter seinen Gefährten, wobei es ein nicht minder großes Gerangel um die schönsten Namen gab. Goethe selbst nahm den Namen des getöteten Lieutenants, Bassompierre , an.
    Gegen Mittag konnten sie aufbrechen – Goethe, Humboldt und Kleist zu Pferde, Arnim auf der Kutsche und Bettine, Schiller und Madame de Rambaud im Innern –, und im Tal der Nahe ging es ostwärts. Schiller hatte ausdrücklich darum gebeten, während der Kutschfahrt das Gespräch mit der Kinderfrau des Königs führen zu dürren. Sobald er und Bettine sie davon überzeugt hatten, dass es ihr Anliegen war, Louis-Charles, den Knaben, den sie großgezogen und beinahe wie einen eigenen Sohn geliebt hatte, mit ihrer Hilfe aus der Festungshaft zu befreien und mit seiner Schwester und seinen Onkeln in Russland zu vereinen, gab sie ihr Misstrauen auf, und ihre Kaisertreue verebbte. Sie sprach schier ohne Unterlass davon, wie sie Fouchés Männer überrascht und gezwungen hatten, nach Mayence zu reisen, wie sie sich aber gefreut hatte zu hören, dass Louis-Charles noch lebte – eine Hoffnung, die sie nie ganz aufgegeben hatte –, wie sie sich ferner vor dem fürchtete, was der Kaiser mit dem unversehens aufgetauchten Thronprätendenten anstellen würde, und wie sie vom Tage seiner Geburt im Jahre 1785 bis zum Brand der Tuilerien im August 1792 dem Dauphin als Kinderfrau gedient hatte. Eilends notierte Schiller alle Fakten in einem Büchlein, das er mitgenommen hatte, und Bettine musste das ein um das andere Mal übersetzen, wenn ihm ein Wort nicht geläufig war. Ein vornehmliches Interesse hatte Schiller dabei an den Merkmalen, anhand derer die Kinderfrau ihren ehemaligen Zögling wiedererkennen wollte. Sie zählte eine Reihe von Begebenheiten aus Louis-Charles’ Kindheit auf, die nur er wissen konnte, insbesondere aber vier unveränderliche Eigenheiten seiner Physiognomie, die Schiller gewissenhaft auf einer separaten Seite in seinem Notizbüchlein niederschrieb:
    »1 tens : hervorstehende Zähne. 2 tens : dreieckiges Impfmal am Arm. 3 tens : Muttermal am Schenkel in Form einer Taube. 4 tens : weiße Narbe am Kinn (wo ihn ein Ka ninchen aus den Tuilerien-Gärten gebissen).«

5
    MAINZ

    Im Juli 1792 treffen sich die deutschen Fürsten in Mainz und beschließen, durch eine Intervention in Frankreich das Leben des gestürzten und inhaftierten Königs Ludwig XVI. zu retten und die Französische Revolution niederzuschlagen. Der Feldzug Österreichs und Preußens gegen die ordnungslose und schlecht ausgerüstete Revolutionsarmee beginnt mit Aplomb, doch der Vormarsch auf Paris wird im September abrupt gebremst: Bei einem Stunden währenden Artillerieduell nahe dem Dorf Valmy in der Champagne halten die Franzosen erstmals den ausländischen Truppen stand. Schließlich treten die Deutschen den Rückzug an, und wenig später gehen die Revolutionsarmeen zum Angriff über: Unter ihren Generälen Dumouriez und Custine erobern sie Savoyen und die Niederlande und stoßen weit über den Rhein bis nach Frankfurt in deutsches Gebiet vor.
    Dabei schließt General Custine auch die Stadt Mainz ein. Kurfürst Erthal und hohe Adlige und Geistliche haben die Stadt längst geflohen, und am 21. Oktober kapituliert Mainz kampflos. Von den Freigesinnten der Stadt werden die

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