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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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bei Kleist, der dafür gesorgt hatte, dass sie nicht in französische Gefangenschaft geraten waren, und Kleist nahm den Dank seines preußischen Landsmannes mit großer Freude auf. Nicht ohne Stolz schilderte er, wie es ihm gelungen war, die Reisenden von Weimar über Frankfurt bis hierher unbemerkt zu verfolgen – zum einen, weil er das Gefühl hatte, seinen Disput mit Herrn von Goethe baldmöglichst beilegen zu müssen, zum anderen schlicht aus Neugierde –, und dass er die Spur seiner Beute zwei Male, primo in Frankfurt und secundo am Rhein, verloren und nur dank seines Instinkts wiedergefunden hatte. Sein Instinkt war es dann auch, der ihm diktiert hatte, sich so lange im Verborgenen zu halten, bis sich ihm die Gelegenheit bot, seinen Auftritt mit handfester Hilfe zu paaren. Schillers Ahnung, sie würden verfolgt, hatte ihn tatsächlich nie getrogen.
    Zurück bei ihrer provisorischen Unterkunft, quartierten sie die Soldaten in der Hütte ein. In der Kutsche hatten sie eiserne Handschellen und Fesseln aufgetan, und mit diesen wurden die Franzosen nun an die Esse des Glasofens gekettet.
    Bettine und Goethe bedeckten derweil den Leichnam des Offiziers mit Steinen vom eingestürzten Mauerwerk. Goethe leerte die Taschen des Toten und fand mehrere Münzen und einen Brief.
    Als der Tote begraben war, wurde entschieden, was mit den Überlebenden geschehen sollte. Kleist schlug vor, dass sie ihrem Lieutenant ins Grab folgen sollten. » Sie kamen schließlich nach Teutschland, unbeleidigt, um uns zu unterdrücken. Sie haben ihren Anspruch auf Recht und Gnade damit verwirkt. Lasst uns das gesamte Mordgeschlecht mit Dolchen zu Tode kitzeln!«
    Auch Arnim wollte die Franzosen richten – Auge um Auge, Zahn um Zahn –, denn immerhin hatten sie auf ihn geschossen. Die anderen Gefährten aber waren strikt dagegen. »Ich habe ihnen mein Wort gegeben, dass ich sie bald wieder laufen lasse«, sagte Goethe.
    »Auch der Franke hat Ihnen sein Wort gegeben und es sofort darauf schändlich gebrochen«, merkte Kleist an.
    »Nun, das handhaben unsre Nationen offensichtlich unterschiedlich. Ich aber pflege mein Wort zu halten«, sagte Goethe. »Im Übrigen, Herr von Kleist, danke ich Ihnen sehr für Ihre Dienste, aber nun heißt es Abschied nehmen. Wählen Sie sich eines der Pferde aus, das Sie schnell und sicher wieder zurück nach Deutschland bringen wird. Ich werde mich, sobald ich Ihr Stück gelesen habe, was ich nun mit umso mehr Interesse tun werde, bei Ihnen melden.«
    Es dauerte einen Moment, bis Kleist den Gehalt dieser Worte, die auch die anderen überraschten und bestürzten, begriffen hatte. »– Sie verstoßen mich?«, stammelte er. »Sie verstoßen mich? Das nenn ich menschlich nicht verfahren. Ich rette Ihnen das Leben, und Sie verstoßen mich? Der Kleist hat seine Arbeit getan, der Kleist kann gehen?«
    »Nicht doch. Es ist nur so, dass diese Gruppe nicht zu groß werden darf, um ihre einzelnen Mitglieder nicht zu gefährden.«
    »Gibt es einen größern Feind des Frankengeschlechts in dieser Gruppe? Einen größern Freund der Teutschen? Gibt es einen, der so viele Waffen hat wie ich und sie so gut zu nutzen weiß, das Vaterland vom Tyrannenvolk zu säubern? Mit Verlaub, Sie können nicht auf mich verzichten, verehrter Herr Geheimrat.«
    »Ich will nicht Ihr Leben auf meinem Gewissen haben.«
    »Mein Leben? Was ist denn mein Leben wert, wenn ich es nicht für Teutschland gäbe? Allmächtiger Gott, hierauf hab ich nichts zur Antwort als Tränen.«
    Tatsächlich lösten sich nun heiße Tränen aus seinen Augen und erstickten ihm die Sprache. Goethe wusste nicht, was er sagen sollte, sosehr die Umherstehenden ihn auch anstarrten.
    Noch einmal sprach Kleist: »Es ist Gott lieb, wenn Menschen ihrer Freiheit wegen sterben, aber es ist ihm ein Gräuel, wenn Sklaven leben.«
    »Auf ein Wort, Freund«, sagte Schiller kurzerhand und zog Goethe mit sich fort, bis sie in den Schatten des abgebrannten Hauptgebäudes gelangt waren.
    »Herrgott, hätte ich es ihm schonender beibringen können?«, fragte Goethe enerviert. »Dass er weint, das habe ich wahrlich nicht gewollt. Er ist doch ein erwachsner Mensch, warum weint er? Ich habe seit selig Kaiser Franzens Zeiten nicht mehr geweint.«
    »Nehmen wir ihn auf«, sagte Schiller.
    »Ich denke gar nicht daran. Wer ist er denn? Ein Kna be, dem man sein Zuckerwerk schon gibt, wenn er nur lange genug quengelt?«
    »Er ist ein mutiger Kämpfer.«
    »Und wenn er mit der Büchse trifft wie

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