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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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l’amour qui a fait ça .«
    »Sie sprechen schon fast wie ein Franzos.«
    »Wollen Sie mein Argument entkräften?«
    »Nein. Aber ich bin nicht verheiratet, wenn ich Sie daran erinnern darf.«
    »Und ich will mitnichten den Hüter der Moral markieren. Werd ich zwei Herzen trennen, die sich fanden? Ich bitte Sie nur, daran zu denken, dass Herr von Arnim Teil dieser Gruppe ist, und dass ich nicht erleben möchte, was geschieht, wenn der Grillenfänger entdeckt, dass er einen mächtigen Nebenbuhler hat. Und nun schweige ich.«
    »Aber warum? Sprechen Sie nur weiter.«
    »Nein, denn geradezu kommt Ihre Pseudo-Mignon durch den Hain uns entgegen.«
    Ohne ihren Mantel und die Fuchspelzmütze wirkte Bettine weniger wie eine Jägerin und mehr wie eine Da me, und die beiden Herren grüßten sie höflich, wie man eine Dame auf dem Boulevard grüßen würde. Die Hand mit den Blumen verbarg Goethe hinter seinem Rücken, bis sich Schiller allein auf den Rückweg zum Lager gemacht hatte, um, wie er sagte, daselbst zu prüfen, ob das Wildschwein mittags noch ebenso gut mundete wie zum Frühstück. Bettine war mehr als angetan von der mannigfarbigen Sammlung von Frühlingsblüten.
    »Blumen sind die Liebesgedanken der Natur«, sagte sie aufblickend.
    Goethe trug ihr den Arm an. »Mein schönes Fräulein, darf ich’s wagen?«
    Artig hakte Bettine ihren Arm unter den seinen, und gemeinsam spazierten sie fort vom Lager. Während Goe the mit inniger Seele den Wald betrachtete, blickte Bettine mal auf ihr Bouquet, mal hoch zu ihrem Begleiter, der sie überragte. Am Bach machten sie halt. Sie setzten sich auf einen bemoosten Stein und warfen Zweige und welke Blätter ins Wasser, um zu sehen, wessen Wettkämpfer wohl schneller auf den Wellen davongetragen wurde.
    Inmitten ihres Spiels lachte Goethe laut auf. »Was man ein Kind ist!«
    »Bist du nicht wieder ganz jung bei mir?«
    »Ja. Aber soll ich dich nun schelten oder loben, dass du mich wieder zum Kinde machst?«
    Bettine pflückte die Sternblume aus dem Strauß und zupfte dann murmelnd eines ihrer blauen Blütenblätter ab.
    »Was soll das nun?«, fragte Goethe.
    »Ein Spiel«, sagte Bettine und rupfte und murmelte weiter.
    »Was murmelst du?«
    Halblaut sagte Bettine: »Er liebt mich – liebt mich nicht.« Goethe lächelte milde, und Bettine setzte ihr Spiel fort bis zum letzten Blatt, das sie mit holder Freude vom Stängel riss, wobei sie ihn betrachtete: »Er liebt mich.«
    Goethe erwiderte darauf nichts, nahm aber ihre beiden Hände in die seinen. Sie waren kalt. »Mäuschen, du frierst!« Mit diesen Worten schlug er ihr seinen Mantel um. Sie zog ihn dicht um sich und hielt seine warmen Hände, und so verging die Zeit. Schließlich standen beide zugleich auf und kehrten schweigend zurück zu den anderen.

    Arnim hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, die wichtigsten Ereignisse eines jeden Tages, den sie in ihrer Waldeinsamkeit verbrachten, schriftlich festzuhalten. Er nutzte dazu die reichlichen Mußestunden am Lager und einige Seiten aus Schillers Notizbuch, die ihm dieser freundlich überließ. Nach dem Abendbrot las er die Artikel dieser Zeitung für Einsiedler seinen Gefährten vor, eine Lesung, die wegen ihrer maßlosen Übertreibungen und ihrer liebevollen Spöttereien von den anderen sehr geschätzt und belacht wurde. Die Themen des Tages waren heute Humboldts Erkenntnisse über die erdgeschichtliche Entstehung ihrer Zufluchtsstätte und Goethes Verwerfung derselben, item die heldenhafte Jagd des Kyffhäuser-Keilers durch Atalante, Amphiaraos und Meleager, alias Bettine, Schiller und Karl, und zu guter Letzt eine weitere Napoleon-Schmähung Kleists, in der Letzterer Ersteren beschimpfte als einen, und hier zitierte Arnim wörtlich, »verabscheuungswürdigen Menschen, für den Anfang alles Bösen und das Ende alles Guten; für einen Sünder, den anzuklagen die Sprache der Menschen nicht hinreicht und den Engeln einst, am jüngsten Tage, der Odem vergehen wird«.
    Diesen Schimpf empfand Goethe als etwas zu streng geraten. Er wollte mit Kleist darüber sprechen, doch Kleist war als Einziger nicht in der Runde anwesend. Er saß in Sichtweite unter einer Eiche, halb wachend, halb schlafend, und wand sich von Blättern einen Kranz.
    »He!«, rief Bettine. »Heinrich, du sinnverwirrter Träumer! Her zu uns!«
    Kleist erwachte aus seiner Zerstreutheit, verließ seinen Platz unter der Eiche und gesellte sich zu den anderen.
    »Schon diesen ganzen Abend scheinen Sie nur dem Körper

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