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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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nach gegenwärtig«, sagte Goethe. »Was haben Sie dort?«
    »Einen Siegeskranz von Eichenlaub für das bravouröse Erlegen der Bestie«, erklärte Kleist und setzte Bettine den Kranz aufs Haupt.
    »Zum Lohn ein deutscher Lorbeerkranz!«, rief Schiller aus.
    Kleist betrachtete Bettines Kopfputz wohlgemut. »Sieht sie nicht aus wie die leibhafte Germania?«, fragte er. »Du bist Teutschland!«
    »Herr von Kleist«, warf nun Goethe auf, »Sie haben den Kaiser der Franken im Kyffhäuser-Periodikum mit bösen Flüchen versehen.«
    »Nicht wahr? Mein Ziel ist es, mich jeden Tag darin zu steigern, sodass meine Rubrik auch weiterhin ein Zugpferd von Achims exquisiter, wenn auch auflagenschwacher Gazette bleibt. – Ich habe übrigens die Schweinejagd zum Anlass genommen, einen Spottvers auf die Franken zu dichten. Hört nur.« Kleist räusperte sich, und mit großem Pathos gab er sein Gedicht zum Besten:

    »Wilder Eber starb im Dreck
    Blut verfärbt die Matte;
    Und es deckt sein zarter Speck
    Unsre Schlachteplatte.

    Zottelbär und Panthertier
    Hat der Pfeil bezwungen;
    Nur für Geld, im Drahtspalier,
    Zeigt man noch die Jungen.

    Auf den Wolf, soviel ich weiß,
    Ist ein Preis gesetzet;
    Wo er immer hungerheiß
    Naht, wird er gehetzet.

    Schlangen sieht man gar nicht mehr,
    Ottern und dergleichen,
    Und der Drachen Greuelheer
    Mit geschwollnen Bäuchen.

    Nur der Franzmann zeigt sich noch
    In dem teutschen Reiche;
    Brüder, nehmt die Keule doch!
    Dass er gleichfalls weiche.«

    »Pfui! ein garstiges Lied«, sprach Goethe und übertönte damit den Applaus der anderen, »ein politisches Lied!«
    »Ganz recht! Und ich wollte, ich hätte eine Stimme von Erz und könnte es vom Kyffhäuser herab den Teutschen singen! Tod Germaniens Henkersknecht, sag ich, und, solange er ihr Kaiser ist, Tod den Franzosen!«
    »Einen Tyrannen zu hassen vermögen auch knechti sche Seelen. Nur wer die Tyrannei hasst, ist edel und groß.« Goethe schenkte Kleist etwas roten Falerner in einen Becher. »Hier ist das wahre Tyrannenblut. Ergötzen Sie sich lieber daran statt an Ihren Mordgedanken.«
    Kleist nahm den Becher dankend entgegen. »Sie hassen die Franken wohl nicht, Euer Exzellenz?«
    »Wie könnte ich auch eine Nation hassen, die zu den kultiviertesten der Erde gehört und der ich einen so gro ßen Teil meiner eigenen Bildung verdanke? Wiewohl ich Gott danke, wenn wir sie dereinst los sind: Die Franzosen sind die geistreichste unter den Nationen.«
    »Ihre kultivierten Franzosen unterjochen die Welt – geistreich und gewaltsam, wie geht das zusammen?«
    »Ach, Herr von Kleist, die Franzosen haben schon lange vor Bonaparte die Welt überwunden: die Sprache, die Kultur, ihre Küche, die Kaufleute und so weiter – wir Deutschen sind schon jetzt viel französischer, als wir es uns eingestehen wollen. Und mich stört es, Vergebung, nicht im Geringsten.«
    »Dann also lieben Sie Teutschland nicht.«
    »Deutsch oder teutsch, du wirst nicht klug!«, sagte Goethe lächelnd. »Natürlich liegt auch mir Deutschland warm am Herzen. Ich will nur sagen, dass ich Deutschland lieben kann, ohne Frankreich zu hassen.«
    »Das kann ich nimmer; mag es daran liegen, dass ich Preuße bin oder jung. Sprechen wir also erst wieder über die Franken, wenn wir sie vertrieben haben.«
    Jetzt meldete sich Arnim in diesem verfahrenen Disput mit weinseliger Heiterkeit zu Wort. »Um die Franken zu vertreiben, ist hier vielleicht der rechte Ort. Ihr kennt die Märe vom Kaiser Rotbart?«
    Der Wein wurde nachgeschenkt, und Arnim erzählte seinen Gefährten die Sage vom Barbarossa.
    »Man sagt, dass der Kaiser Friedrich damals auf den Kreuzzügen im Heiligen Land nicht wirklich starb, als er in den Saleph stürzte, sondern durch einen geheimnisvollen Zauber in ein unterirdisches Schloss versetzt wurde – ein unterirdisches Schloss, welches sich nirgendwo anders befindet als hier, im Innern des Kyffhäusergebirges. Hier ruht der größte aller deutschen Kaiser; auf einem Thron von Elfenbein schläft er an einem Tisch aus Marmelstein, die güldne Reichskrone auf seinem Haupt, und sein feuerroter Bart ist über die Jahrhunderte so lang gewachsen, dass er durch die marmorne Tischplatte hindurch bis zu den Füßen reicht und fast um den ganzen Tisch herum. Einmal in hundert Jahren erwacht Barbarossa aus seinem Schlummer und winkt einen Knaben herbei, der ihm dient. Der Knabe soll auf den Gipfel steigen und schauen, ob die Raben noch um den Berg fliegen. Ziehen die schwarzen

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