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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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Arnims Hand, und Humboldt nickte kaum merklich, den Blick aufs Feuer geheftet.
    »Wenn es eh nicht gelingen wird«, erwiderte Goethe nonchalant, »dann sehe ich auch keinen Grund für Ihre Aufregung. Dann bleibt in Frankreich alles beim Alten.«
    »Nicht dass Ihnen das Wohl Frankreichs am Herzen läge. Sie wollen im Auftrag Ihres Herzogs, dem Sie die nen, vor allem verhindern, dass Napoleon je nach Thüringen kommt. Habe ich nicht recht?«
    Goethe blieb die Antwort schuldig und wich dem gestrengen Blick Arnims aus. Zwischen Humboldt und Bettine saß Louis-Charles, der Goldapfel des Zanks, elendig in sich zusammengesunken.
    Im allgemeinen Schweigen ergriff Schiller das Wort, und er sprach mit ruhiger Stimme, die hohen Wogen wieder zu glätten: »Erlaubt, dass ich vermittelnd spreche. Du, lieber Achim, bist zu Recht erzürnt über den Gedanken, einer Majestät des alten Schlags die Krone zu erobern. Aber das ist unser Karl nicht. Er teilt den Namen seines seligen Vaters und dessen Blut, aber nicht dessen Ideale. Den Tyrannen wird Karl stürzen, das ist gewiss! Aber er selbst wird kein Tyrann werden, das ist gewisser. Der Prinz denkt edel und gut, und er hat keinen Anlass, Frankreich ins vorige Jahrhundert zurückzuführen. Er wird, nachdem das Joch des Despotismus abgeschüttelt und das Land vom Tyrannen befreit, was gut und fortschrittlich war an Napoleons Ideen, nicht aufgeben, sondern mehr noch, ihnen neue hinzufügen. Alle, die ihr hier sitzt, seid herzlich eingeladen, euch an unsern Gesprächen zu beteiligen – denn Gespräche sind es von gleich zu gleich und keineswegs Lehrstunden in Staatsführung, Gespräche, in denen wir beide ein freudiges Traumbild entwerfen; und Karl macht, das verspreche ich euch, wenn er es sich nicht zu tun getraut, Karl macht dies Traumbild wahr; das kühne Traumbild eines neuen Staates – einer Monarchie, von der Revolution geläutert, wenn man so will; eine Monarchie, um die die Welt Frankreich dereinst beneiden und ihr nacheifern wird.«
    »Und ein Traumbild wird es, mit Verlaub, immer bleiben«, sagte Arnim und erhob sich. »Gute Nacht. Gute Nacht, Euer Hoheit.«
    Sie sahen Arnim nach, wie er den Musentempel verließ und durch den Nieselregen zu seinem Zelt ging. Goethe stieß mit dem Fuß nach einem brennenden Scheit, dass die Funken bis zur Höhlendecke aufstiegen. Der Dauphin blickte um sich wie ein verstockter Sünder.
    »Ich gelobe«, sagte er mit dünner Stimme, »ein guter Regent nach dem Vorbild andrer guter Regenten zu sein und nach den großen Idealen des Herrn von Schiller.«
    »Das ist mein König!«, sprach Schiller voller Stolz, und Goethe sagte darauf in die Runde: »Von hier und heute wird eine neue Epoche der Weltgeschichte ausgehen, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen!«
    »Doch ob wir es auch sagen wollen «, entgegnete Kleist, als er allein war mit Humboldt und Goethe längst zurück bei seinem Zelt, »wird erst die Zeit zeigen.«

    Noch im Grauen des nächsten Morgens weckte Arnim, in Stiefeln und Überrock, Bettine, indem er ihr einen Kuss auf die Stirn setzte und flüsterte: »Wach auf, Bettine. Wir packen unsre Sachen und sagen Lebewohl.«
    »Was ist geschehen?«, fragte Bettine halb schlafend, halb wachend.
    »Wir reisen ab. Wir machen nicht länger gemeinsame Sache mit den Monarchisten.«
    »Achim, was redest du?«
    »Willst du dich eine Minute länger von Anhängern der Bourbonen zum Instrument ihrer rückschrittlichen Pläne machen und Kopf und Kragen dafür riskieren? Ich nicht und du auch nicht, und deshalb ist heut der Tag, an dem die Dame und ihr Bube dies räudige Blatt, mit dem nichts zu gewinnen ist, verlassen.«
    Bettine richtete sich auf der abgezogenen Haut des Keilers auf, die ihr zur Unterlage diente, und rieb sich das Gesicht mit beiden Händen. Ihre ungekämmten schwarzen Locken standen wirr vom Kopfe ab. »Und die Franzosen?«
    »Sind längst zurück in Frankreich, wenn du mich fragst. Außerdem sucht dieser Capitaine Santing nicht uns, sondern den Dauphin.«
    »Und unsre Freunde? Und Goethe, und Schiller?«
    »Faust und sein Famulus? Ranzige Butter auf schimmligem Brot! Die beiden sind nicht länger unsre Freunde, Bettine, denn sie haben uns seit Frankfurt belogen. – Heinrich und Alexander freilich werde ich fragen, ob sie uns begleiten möchten, obwohl ich bei Letzterem die Vermutung hege, er folge Goethe bis ins Höllenreich, solange es dort noch unbekannte Mineralien zu entde cken hat. – Hoch mit dir, du

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