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Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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Sonntags erschien er unter den Lampions und den Girlanden der Straßenfeste, auf denen der Sieg gefeiert wurde. Die Mädchen tanzten mit Mädchen oder spielten Mauerblümchen. Sie waren im selben Alter wie die Gefallenen, von denen sie mit leeren Händen zurückgelassen worden waren. Einige unter ihnen machten einen Schritt in Séraphins Richtung, ohne sich etwas dabei zu denken, wie man eben irgendeinen Mann auffordert. Aber es blieb bei einem Schritt und einem Blick. Ihr Schwung erlahmte bei seinem Anblick. Wenn sie vor ihm standen, verließen sie die Kräfte und die Stimme. Einige flüsterten sich vertrauliche Dinge über ihn zu.
    »Ist der schön! Nein, eigentlich ist er nicht schön, mich friert, wenn ich ihn anschaue!« – »Weißt du, was ihm passiert ist? Weißt du, was meine Mutter mir erzählt hat?« – »Das weiß doch jeder!« – »Ich könnte nie mit ihm! Ich hätte immer das Gefühl, seine ganze tote Familie würde neben mir im Bett liegen! Aber eigentlich ist das ungerecht. Ist er nicht schön?«
    Manche Mädchen kamen nicht zum Tanz. Zunächst einmal die, deren Väter oder Brüder an der Front gefallen waren und die man Jahre hindurch in strenger Trauer vor der Welt wegschloß. Da waren aber auch jene, deren Familien darum bemüht waren, einen tiefen Graben zwischen sich und den gewöhnlichen Sterblichen zu ziehen. Solche Familien gibt es überall. Man möchte unbedingt comme il faut sein, und das bedeutet strenge Überwachung der Töchter. Wenn sie häßlich sind, so verfehlt das Wort »untadelig« selten seinen Eindruck auf schüchterne Bewerber, und wenn, wie es so schön heißt, le haut leur a conservé le bas, wenn also der Mangel an sichtbaren Reizen auf einen unbeschädigten Zustand der verborgenen schließen läßt, kann man immer noch eine gute Partie machen. Wenn sie aber schön sind, dann hat man es mit Reliquien zu tun, die in einem Schrein aufbewahrt werden. Dann heißt es: »Sie werden verwöhnt wie eine Prinzessin« oder: »Sie ist ihr Augapfel.« In jenen Jahren beherrschten zwei Augäpfel die Schönheitskonkurrenz zwischen Peyruis und Lurs: die Rose Sépulcre und die Marie Dormeur.
    Die Rose Sépulcre konnte man noch so lange kennen; wenn man ihr begegnete, war man immer wieder geblendet von ihrer Schönheit. Ihr dreieckiges Gesicht ging in eine breite, eigensinnige Stirn über, die von lang herabfallenden, rabenfarbenen Locken umrahmt war, die bei Tageslicht stahlblau erschienen und erst bei hereinbrechender Dunkelheit richtig schwarz wurden. Man fragte sich, woher sie ihre Mandelaugen hatte. Ihre kleinen Brüste luden geradezu dazu ein, fest in die Hand genommen zu werden. Wenn man ihr begegnete, traute man sich kaum, ihr nachzusehen, um sich nicht dem Anblick ihres mit herausfordernder Unbefangenheit geschwenkten Hinterteils auszusetzen.
    Ihre Wiege hatte in einer Ölmühle gestanden, wo die Luft nie abkühlte. Ihr Vater, der Didon Sépulcre, bildete sich etwas darauf ein, den zur Mühle gehörigen Flurnamen zu führen: Saint-Sépulcre, heiliges Grab, so hieß die Mühle, die am Ufer des Lauzon fast das ganze Jahr über auf Regen wartete. Sie war nach einer Kapelle genannt, die einst dort gestanden hatte und von der nur noch eine grasüberwachsene Erhebung zu sehen war. »Man nennt uns Sépulcre«, pflegte Didon zu sagen, »weil unsere Familie genau so alt ist wie die Kapelle.« Er war ein weithin bekannter, wohlhabender Mann. Sein Traum war es, seine beiden Töchter vorteilhaft an den Mann zu bringen. Im übrigen hatte er sein Anwesen zur allgemeinen Mißbilligung durch den Kauf der besten Grundstücke aus dem Besitz der Monges abgerundet, nachdem diese Familie von der Liste der Lebenden  gestrichen worden war.
    Abergläubischen Anwandlungen war er kaum zugänglich, und so hätte er liebend gern auch La Burlière erworben – für ein Butterbrot –, doch da hatte sich seine Frau quergestellt. »Wenn du La Burlière kaufst«, hatte sie zu ihm gesagt, »kannst du allein dort wohnen. Ich werde nie den Fuß dorthin setzen. Bestimmt schleicht dort nachts die Girarde noch an den Wänden entlang. Und ich bin sicher«, hatte sie schaudernd hinzugefügt, »daß sie ihr Kleines sucht, um es zu stillen.«
    Nun war der Krieg vorbei, und der Didon Sépulcre wurde langsam unruhig, wenn er die einigermaßen annehmbaren jungen Männer Revue passieren ließ, die noch für seine Töchter übrigblieben. Bei jeder neuen Hochzeit zog er seine Mundwinkel zwischen Daumen und Zeigefinger ein

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