Das ermordete Haus
müden Bewegungen nahm er die Blechdose, verstaute sie in seiner Werkzeugtasche, stieg auf sein Fahrrad und kehrte in der finsteren Nacht nach Peyruis zurück.
Als nun aber das Geräusch der Pedale und der schlecht geölten Fahrradkette in der Ferne verklungen war, ging eine flüchtige Wellenbewegung durch das Lorbeerwäldchen am Rande der Straße. Eine Gestalt glitt vorsichtig wie eine Katze heraus, horchte auf das Abbröckeln von kleinen Steinen und Gips von den Mauerresten und setzte sich schließlich in Bewegung. Sie betrat die Küche durch die Lücke, die der abgerissene Kamin hinterlassen hatte, und stolperte fluchend über die Schutthaufen. Ein Feuerzeug wurde angezündet. Sein Licht holte die verbleibenden Mauerreste aus der Dunkelheit hervor und blieb schließlich auf der Höhe des Verstecks in der Wand stehen, das Séraphin noch nicht hatte zerstören können. Das Licht erlosch. Die immer noch fluchende Gestalt stieg mit knirschenden Schritten über den Schutt hinweg. Sie verschwand in der Nacht auf den Pfaden, die den Hügel hinaufführten.
Séraphin stellte sein Fahrrad im Schuppen ab. Er entkleidete sich vollständig und warf seine Kleider in die Holzkiste. Durch die innere Tür, die zur Treppe führte, stieg er in seine Küche hinauf, öffnete den Wasserhahn am Spülbecken und wusch sich von Kopf bis Fuß mit eiskaltem Wasser und viel schwarzer Schmierseife. Als er fertig war, wusch er sich ein zweites Mal mit einem kleinen Stück Seife der Marke Le Mikado, das er für besondere Gelegenheiten aufbewahrte und das gut roch. Er rasierte sich. Daraufhin ging er in das obere Stockwerk, um saubere Wäsche anzuziehen. Als er wieder herunterkam, erblickte er die Dose, die er angefaßt hatte. Auch sie wusch er ab, von allen Seiten, mit einem Schwamm, den er anschließend in den Abfalleimer warf. Er schneuzte sich drei oder vier Mal kräftig und warf auch das Taschentuch weg. Mißtrauisch schnüffelte er an seinen Händen und an seinen Achselhöhlen. Er atmete tief durch. Der Geruch des Rußes haftete nicht mehr an ihm.
Erst jetzt fiel ihm ein, daß er Hunger und Durst hatte. Er wärmte die Suppe auf, die er immer für drei oder vier Tage kochte. Er öffnete eine Dose Sardinen und kochte sich zwei Eier. Und erst, nachdem er gegessen, sein Viertel Rotwein getrunken und den Tisch abgeräumt hatte, zog er die Blechdose zu sich her und betrachtete sie lange.
Der bretonische Kalvarienberg, die Bretonin mit ihrer Trachtenhaube und das Meer erzählten ihm von seiner Mutter. Sicher hatte sie sich diese Dose auf dem Jahrmarkt von Manosque oder Forcalquier ausgesucht. Sie hatte sie in ihren Händen gehalten. Und da er alles vernichtet hatte, was sie angefaßt hatte, mußte er auch diese Dose vernichten. Doch hielt ihn das Bild eines friedlichen Alltags, das sie heraufbeschwor, davon ab, sie wegzuwerfen. Er sagte sich, daß seine Mutter jeden Morgen, wenn der dampfende Kaffee auf dem Tisch stand, den Zucker daraus geholt haben mußte, bis sein Vater sie ihr schließlich weggenommen hatte, um sie in einen armseligen Tresor zu verwandeln und für alle Zeit in diesem Versteck unter dem Kamin zu versenken.
Lange strich Séraphin mit der Hand über diesen Behelfstresor, bevor er ihn auf dem Wachstischtuch umstülpte. Als er ihn hochnahm, kamen einige vierfach gefaltete Blätter zum Vorschein, die auf dem Boden der Kiste gelegen haben mußten und nun den Haufen Goldstücke dem Blick entzogen. Es waren drei mit Stempeln versehene Papierbögen, die so feierlich wie Banknoten aussahen, mit ihrer laufenden Nummer in Schwarz, ihrem Wasserzeichen und dem edlen Profil einer mit Lorbeeren gekrönten Justifia in Filigran.
Die Blätter waren mit schwarzer Tinte in einer kleinen, nüchternen, jedoch unbeholfenen Schrift beschrieben, deren Linien so deutlich hervortraten, als seien sie am Vortag gezogen worden. Von wenigen Worten abgesehen, enthielten alle drei Dokumente denselben Text, der folgendermaßen lautete:
Der Unterzeichnete, Célestat Dormeur, Bäcker in Peyruis, bestätigt, aus den Händen von Félicien Monge, Fuhrhalter in Lurs, ohne Verzug und in bar die Summe von 1200 Franc (in Worten: zwölfhundert Franc) erhalten zu haben. Als Gegenleistung für dieses Darlehen, das von beiden Seiten in gutem Glauben vereinbart wurde, wird der obengenannte Célestat Dormeur dem obengenannten Félicien Monge jedes Jahr am Tag des hl. Michael den gemeinsam auf 23% der Summe festgelegten Zins zukommen lassen, das heißt, jährlich
Weitere Kostenlose Bücher