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Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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Wasserbeckens, das ihm das Gefühl gab, ein Spitzenjabot zu tragen, wegen des Pavillons mit der Windrose und wegen des Paddocks. Das wundersame Wort »Paddock« hatte in seinem Gedächtnis ein Eigenleben geführt und vor seinem inneren Auge das Traumbild eines märchenhaften England entstehen lassen. Seine ganze Kindheit hindurch hatte er seinen Vater davon sprechen hören, der dort die Pferde der »Herrschaften« beschlagen hatte.
    Diese »Herrschaften«, die man schon seit langem nicht mehr als Grafen betitelte, hatten nach zehn kinderreichen Jahrhunderten nur noch einen einzigen Sohn als letzten Nachkommen hervorgebracht, und der hatte 1914, als frischgebackener Absolvent der Militärakademie Saint-Cyr, mit Federbusch und weißen Handschuhen angetan, den Tod gefunden. Seine Eltern, denen nichts geblieben war, waren während dieses endlosen Krieges, an dem alle Gaspards des Landes so viel Geld verdienten, an Kummer und an dem Gefühl der Nutzlosigkeit dahingestorben. Nach vier ergebnislosen Versteigerungen hatte Gaspard Dupin das Gut für ein Butterbrot an sich gebracht.
    An diesem Abend kostete es ihn einige Mühe, aus seinem Wagen auszusteigen. Seine mageren Jahre waren vorbei. Im Scheinwerferlicht blinkten durch die hohe Umzäunung hindurch hinten im Inneren des Paddocks die kupfernen Krippen der vier leeren Pferdestände. Gaspard nahm mit Befriedigung zur Kenntnis, daß seinen Anweisungen gemäß Stroh in den Boxen aufgeschüttet worden war.

»Genau richtig«, sagte er und rieb sich die Hände. Würdevoll entstieg er seinem Wagen. Die Würde hatte sich mit der Korpulenz und den politischen Ambitionen eingestellt. Zudem kehrte er, seit er dort Herr war, niemals nach Pontradieu zurück, ohne sich selbst das Gefühl zu geben, er setze seinen Fuß auf eine erlegte Beute.
    Er drehte sich um und gab ein Zeichen. Der Lieferwagen kam vor ihm zum Stehen. Heraus kletterte ein Mann, der nur aus Rumpf zu bestehen schien und sich auf seinen kurzen Beinen watschelnd fortbewegte. Fett und schlaff verbeugte er sich vor Gaspard, so daß sein gewaltiger Bauch beinahe den Boden berührte.
    »Sie kommen dort hinein«, sagte Gaspard und zeigte auf den Paddock.
    »Ist das auch stabil?« fragte der Gnom.
    »Früher waren dort die Hengste untergebracht.«
    »Na gut.« Er wickelte vier Lederriemen von seinem Gürtel, erklomm die Ladefläche des Fahrzeugs und verschwand zwischen den ungeduldig hin- und herlaufenden Hunden. Er klappte das Gitter herunter und sprang zu Boden, alle vier Riemen in einer Hand.
    Gaspard hatte den äußeren Riegel des Tors zurückgeschoben, das in den Paddock führte, und öffnete einen Flügel, dessen verrostete Angeln laut kreischten. Bei diesem Geräusch, das sie in Aufregung versetzte, stießen die Hunde gereizt ein unheilverkündendes Jaulen aus. Sie kamen näher, beschnupperten den Boden und zerrten an ihren straffgespannten Leinen. Der Gnom ging mit ihnen ins Innere der Umfriedung, um sie dort loszulassen. Als er wieder ins Freie trat, schob er energisch den Riegel vor. »Und denken Sie immer daran«, sagte er, »geben Sie ihnen jeden Abend selbst zu fressen. Wenn Sie das nicht tun, dann kennen die da bald auch Sie nicht mehr.« Er hatte die offene Hand ausgestreckt und ehrerbietig die Mütze abgenommen.
    Gaspard zählte einige Scheine aus seiner Brieftasche und klatschte sie dem Gnom auf die ausgestreckte Handfläche. Er verabschiedete sich nicht, sondern begnügte sich mit einem kurzen Nicken. Der Mann erklomm wieder seinen Sitz und ließ den Motor an. Gaspard blieb allein bei seinem Wagen und schaltete die Scheinwerfer aus.
    Das Licht über der Freitreppe brannte, und Patrice, den die Geräusche angelockt hatten, erwartete seinen Vater auf dem Treppenabsatz.
    Gaspard kam mit gesenktem Kopf näher, besorgt warf er von Zeit zu Zeit verstohlene Blicke in die dunklen Ecken der Pergola. Patrice hatte ihn nie anders gekannt: immer vorsichtig lauernd, ständig auf der Hut. Es war das Verhalten eines Jägers, aber auch das des gehetzten Wildes. Er musterte seinen Vater kritisch und ohne Nachsicht. Monokel, Gamaschen, Hut und Reithose aus feinem Leder konnten nicht verhindern, daß die Stimme dieses Mannes, der gewohnt gewesen war, sich im Lärm der Schmiede schreiend Gehör zu verschaffen, nur zu deutlich seine Herkunft verriet. Dazu kamen seine rauhen, mit häßlichen Schwielen bedeckten Hände.
    »Sie rufen das Unglück herbei«, sagte Patrice zu ihm, als er nahe genug herangekommen war. »Diese Tiere

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