Das ermordete Haus
sind gefährlich wie geladene Gewehre. Sie könnten auf jeden von uns losgehen …«
»Eben! Ich will ja gerade, daß sie gefährlich sind und daß sich das herumspricht.« Er nahm eine Zigarre aus dem Etui und zündete sie an. »Ich hatte die Idee schon seit langem«, sagte er. »Seit langem war mir nach so was. Conchitas Vater hat sie aufgezogen. Ich habe sie schon als Welpen gekannt. Sie gehorchen mir aufs Wort«, schwelgte er. »Hörst du sie? Das sind amerikanische Dobermänner. Die bellen nicht, die jaulen nur. So ein Hund tötet einen Menschen ohne den geringsten Laut.«
»Töten«, stieß Patrice verächtlich hervor. »Wissen Sie überhaupt, wie das ist, wenn man jemanden tötet?«
Gaspard nahm die Zigarre aus dem Mund und fuhr herum, als ob ihn etwas gestochen hätte. Doch als ihm Patrices zerstörtes Gesicht unvermittelt im vollen Licht erschien, verstummte er. Der Inbegriff eines Alptraums, den dieses Gesicht verkörperte, hatte ihn noch immer zum Schweigen gebracht. Doch bald nahmen seine Gedanken eine andere Wendung. Er blickte nach unten, auf die Stufen, die er eben heraufgekommen war. Seine Augen versuchten die Dunkelheit der Eingangshalle hinter Patrice zu durchdringen, deren Tür halb offen stand. Er hob den Blick bis zu den Baumwipfeln, aus denen der Mond bald aufsteigen mußte. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf den Wetterhahn, der nur halb entschlossen so etwas wie ein warnendes Quietschen von sich gab.
»Er war hier«, flüsterte er.
»Wer?« fragte Patrice.
»Der Straßenarbeiter.«
»Ja. Wenn Sie von Séraphin Monge sprechen, haben Sie recht. Er war hier. Ich habe ihn zum Essen eingeladen. Ihn Charmaine vorgestellt …«
»Ich rieche ihn …« sagte Gaspard.
»Aber … Sie haben ihn doch noch nie gesehen?«
Gaspard warf seinem Sohn einen verschlagenen Blick zu. »Ich brauche ihn nicht zu sehen«, sagte er, »ich spüre, wo er seinen Fuß hingesetzt hat.«
»Wie kann man so gegen jemanden eingenommen sein, den man gar nicht kennt?«
Gaspard nahm das Monokel aus Fensterglas ab, das ihm lästig wurde, und ließ es in seine Westentasche gleiten. »Er … gibt ein schlechtes Beispiel.«
»Ach so, und Sie glauben, Sie gäben ein gutes?«
»Das nimmst du mir also übel?«
»Ich nehme niemandem mehr etwas übel. Nein, ich beobachte Sie nur. Sie amüsieren mich.«
»Ich frage mich, was du mir vorzuwerfen hast.«
»Daß Sie nicht leiden.«
»Was weißt du schon davon? Jeder leidet, woran er kann und wie er kann.« Er stützte sich auf das Geländer und drehte seinem Sohn den Rücken zu. »Alle denken, daß die Menschen immer gleich bleiben«, sagte er leise. »Man wird danach beurteilt, wie man einmal war. Und dabei ändert man sich doch so sehr.«
Er wandte sich plötzlich wieder um. »Hat er sein Haus fertig abgerissen, dein Straßenarbeiter?«
»Bis auf die Grundmauern. Er muß nur noch Schwefel und Feuer über die Stelle regnen lassen, auf daß jeder, der danach sucht, zur Salzsäule erstarre. Und ich glaube, er wird auch das fertigbringen. Er ist ein Unglücklicher. Sie sollten Mitleid mit ihm haben.«
»Die Unglücklichen«, sagte Gaspard im Brustton der Überzeugung, »die sind nicht alle vom lieben Gott geschaffen.« Er blickte ängstlich zum Paddock hinüber, wo die vier Dobermänner erbärmlich jaulten. »Ich glaube, heute abend verzichte ich auf meine Runde«, sagte er. »Aber morgen«, fügte er hinzu, als habe ihn jemand zur Rede gestellt, »morgen gehe ich wieder.«
Hinter ihm ertönte ein pfeifendes Geräusch. Es war die Dragonerin. Sie hatte Asthma und verriet so ihre Anwesenheit. Die arme Frau stand steif wie eine Standuhr an der Wand der Eingangshalle und erwartete so ihren Herrn, um ihm Bericht zu erstatten von diesem ereignisreichen Tag.
»Kümmern Sie sich um sie«, sagte Patrice, »sonst erstickt sie noch an ihrem Gift.«
»Sie vergöttert mich«, sagte Gaspard selbstgefällig. »Für mich würde sie durchs Feuer gehen.«
»Richtig«, sagte Patrice. »Vor allem würde sie gerne alle anderen hineinschicken.«
Er kehrte seinem Vater den Rücken zu und stieg die Stufen der Freitreppe hinab. Er ging auf den Paddock zu. Kaum daß sie ihn hören konnten, richteten sich die vier Bestien am Gitter auf, lautlos, Seite an Seite. So hoch aufgerichtet überragten sie Patrice. Ihre heraushängenden Zungen und die roten Augen erinnerten an Feuer. Im Widerschein des Petroleumleuchters über der Freitreppe erschien ihr glattes Fell dunkelviolett wie die Farbe des
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