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Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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Mineralwasser mit Pfefferminzsirup getrunken haben. Von da an verliert sich Ihre Spur bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie, um zweiundzwanzig Uhr, völlig unerwartet bei dem Wasserbecken auftauchen, in dem Ihr Vater wild um sich schlägt.«
    »Wo er bereits tot im Wasser liegt.«
    »Zugestanden. Nichtsdestoweniger geben Sie zwei Schüsse aus diesem Revolver ab.« Der Richter hob die Waffe hoch und ließ sie wieder sinken. »Auf den Hund! Ich muß Ihnen übrigens gratulieren, Sie haben ihn genau zwischen die Augen getroffen … Aber darum geht es nicht. Zwischen acht und zehn Uhr abends verliert sich Ihre Spur. Sie hatten also genug Zeit, in den Park zurückzukehren und den Rand des Beckens einzuseifen. Ich will wissen, wo Sie waren. Vor allem eines interessiert mich: Warum fahren Sie eine Mandoline in Ihrem Wagen spazieren?«
    »Da können Sie lange fragen …« murmelte Patrice.
    »Sie verweigern also die Antwort?«
    »Keineswegs. Ich wollte an den Steilhängen von Ganagobie ein bißchen auf der Mandoline üben.«
    »Wo Sie natürlich niemand gesehen hat?«
    »Es war stürmisch. Ich wollte nicht, daß jemand meine falschen Akkorde hört.«
    »Das ist keine ausreichende Erklärung«, meinte der Richter. »Ich sehe mich verpflichtet, Sie in Gewahrsam zu nehmen. Wohlgemerkt beschuldige ich Sie nicht des Mordes an Ihrem Vater. Ich verhafte Sie wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Solche Kriegsandenken sind ja schön und gut, man darf sie aber nicht außerhalb der Wohnung mit sich führen. Und vergessen Sie nicht, daß dieses Vergehen möglicherweise vor ein Schwurgericht kommt.«
    »Das ist kein Kriegssouvenir«, sagte Patrice leise. Er mußte sich beherrschen, um nicht auf sein Gesicht zu zeigen und hinzuzufügen: Das einzige Andenken, das ich aus dem Krieg mitgebracht habe, führe ich ständig mit mir. Aber es war ihm zuwider, andere mit derart massiven Argumenten zum Schweigen zu bringen. So erklärte er nur: »Ich hatte einen Kameraden, der ungefähr so aussah wie ich, vielleicht noch ein bißchen schlimmer. Eines Tages war er seines Lebens müde – im Wortsinn lebensmüde – und jagte sich eine Kugel in den Kopf. In seinem Testament hat er mich sowohl mit seiner Waffe als auch mit seinem Spott bedacht.«
    »Sie können sich einen Anwalt nehmen«, erklärte der Richter. »In frühestens achtundvierzig Stunden kann ich Sie vielleicht vorläufig wieder auf freien Fuß setzen. Bis dahin kann ich leider nichts für Sie tun.«
    Als Patrice das Zimmer des Richters verließ – die Handschellen hatte man ihm erspart, denn wenigstens die Gendarmen wußten, was man einer gueule cassée schuldig war –, erwartete ihn in der Eingangshalle des Gerichtsgebäudes das höchste Glück auf Erden: Vor der hohen Glastür erblickte er, schüchtern dastehend, Rose Sépulcre, die ihn mit Tränen in den Augen ansah. Sie mußte mit dem Fahrrad aus Lurs hergekommen sein. Da stand sie nun, mit etwas staubigen Beinen. Der Hut war ihr ins Gesicht gerutscht und verdeckte zur Hälfte die Augen … Augen aus Tausendundeiner Nacht, die man mit zwei großen Mandeln hätte zudecken können, Augen voller Tränen, die er an den Wimpern glänzen sah. Er legte einen Finger über den Mund, als er an ihr vorbeikam. Außer sich vor Glück, begab er sich ins Gefängnis.
    Der Entschluß, mit dem Fahrrad nach Digne zu fahren, war in Rose beim Essen herangereift, als Marcelle, die immer über alles Bescheid wußte, verkündet hatte, zwei Gendarmen hätten Patrice abgeführt und er sei der Mörder seines Vaters.
    »Dafür gibt es keinen Beweis«, empörte sich Rose. »Das hast du frei erfunden!«
    »Sicher ist das noch nicht …« meinte Térésa.
    »Und ob das sicher ist!« brüllte Didon und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß das Besteck klirrte. »Nur er kann es gewesen sein. Hört ihr! Wer sonst?« Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißtropfen. Zum Glück hatte er gerade heiße Suppe gegessen, so daß es nicht weiter auffiel, aber die Angst lag ihm kalt im Magen.
    »Er hat recht. Wer soll es denn sonst gewesen sein?« sagte Marcelle.
    »Sei du nur still«, japste Didon, »dich hat niemand was gefragt.« Seit er von Gaspard Dupins merkwürdigem Tod erfahren hatte, brachte ihn das geringste Wort auf die Palme.
    »Ich gehe jetzt, damit ihr’s wißt«, erklärte Rose.
    »Wohin gehst du?« wollte Térésa wissen.
    »Nach Digne, Patrice Beistand leisten. Er soll nicht glauben, alle ließen ihn im Stich. Ich weiß noch nicht wie, aber irgendwie werde ich schon

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