Das ermordete Haus
getötet.
11
»FINDE zunächst heraus, wem das Verbrechen nützt …«
Innerhalb von drei Tagen fand man heraus, daß das Opfer eine Geliebte gehabt hatte, daß sie ihn ausgenommen hatte wie eine Weihnachtsgans, daß sich seine Kinder darüber beklagt hatten und dies in Gegenwart Dritter.
Die Polizei, die alles durchsuchte, fand auf dem Gelände einen größeren Vorrat an flüssiger schwarzer Seife und Bohnerwachs. Sie entdeckte auch, daß jeweils drei Dosen davon angebrochen waren. Wieso drei auf einmal? Hätte man sie nicht nacheinander aufbrauchen können? Diese Frage stellte man allen Beteiligten. Die Antworten darauf befriedigten niemanden, am wenigsten den Richter.
Man begegnete der untröstlichen Tauben mit respektvoller Nachsicht. Der Kriegerwitwe ging man aus dem Weg. Schon ihr freimütig-unverfrorener Blick schüchterte den Richter ein. Er ließ sie fallen wie ein brennendes Streichholz. Er zog sie nicht in Betracht. Und vergebens zeigte die Dragonerin anklagend auf Séraphin: »Er war’s. Wissen Sie denn nicht, wer er ist? Der, der sein Haus abreißt. Er ist völlig verrückt. Er hat ein Verbrechen überlebt. Seine ganze Familie wurde damals ermordet! Finden Sie das vielleicht normal, daß er als einziger davongekommen ist? Er zieht das Verbrechen an! Es klebt an ihm! Er bringt es mit sich, wohin er auch geht! Es ist seine Schuld! Ich fühle es hier!«
Sie deutete mit dem Zeigefinger auf ihr Herz.
Eine nähere Beschäftigung mit Séraphin Monge schien nicht der Mühe wert. Erstens erbte er nichts. Zweitens sah er nicht schlau genug aus, um eine solche Falle auszuhecken. Drittens hielt Monsieur Anglès, der Straßenbauingenieur, seine Hand schützend über ihn. Und Monsieur Anglès’ Name stand für zweierlei: für Autorität und für einen langen Arm, der bis nach Paris gereicht hätte, wenn man ihm seinen Straßenarbeiter nicht zurückgegeben hätte.
Patrices hochmütiger Gesichtsausdruck hingegen mißfiel dem Richter entschieden. Er wußte nicht, daß Patrice ihn der Kunst der Chirurgen verdankte. Achtundvierzig Stunden nach dem Verbrechen ließ er ihn in sein Dienstzimmer kommen. Vor ihm auf dem Schreibtisch befanden sich mehrere Gegenstände: eine Dose schwarze Seife, eine Dose Wachs, ein Armeerevolver und eine Mandoline.
Der Richter zeigte anklagend auf die beiden Dosen: »Was hatten diese beiden etwas … ungewöhnlichen Gegenstände in Ihrem Wagen zu suchen? Haben Sie dafür eine Erklärung?«
»Natürlich«, antwortete Patrice, »mein Auto hat öfter mal eine Panne, und ich kenne mich ein bißchen damit aus, also helfe ich mir selbst. Danach sind meine Hände mit Motoröl verschmiert, und dort, wo ich hinfahre, kann ich nicht mit schmutzigen Händen erscheinen. Daher die schwarze Seife.«
»Schön und gut. Und das Wachs?«
»Die Gendarmen dürften bemerkt haben, daß einige Teile in meinem Wagen aus Mahagoni sind: das Armaturenbrett, die Rückenlehne des Fahrersitzes, die Innenverkleidung der Türen. Sie müssen hin und wieder gewachst werden.«
»Mag sein, aber was ist damit?« Mit einem heftigen Griff brachte er die Mandoline vor der Nase des Angeklagten zum Erklingen.
»Daß mein Vater mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen wurde, wäre mir neu«, brummte Patrice. »Und das Ding da ist doch wohl viel zu zerbrechlich.«
»Richtig. Nur gibt es da leider eine Lücke von zwei Stunden in Ihrem Tagesablauf. Also, passen Sie gut auf: Am Morgen des Verbrechens kommt der Sohn des Pächters wie jeden Tag, um mit einem Rechen die welken Blätter aus dem Wasserbecken zu fischen. Er geht um das ganze Becken herum und rutscht nicht aus dabei. Das heißt doch, daß zu diesem Zeitpunkt die Falle noch nicht vorbereitet war. Von da an haben wir alle Bewegungen und Verrichtungen der Angehörigen des Opfers überprüft, besonders die Ihrigen. Bei allen anderen ergab sich ein lückenloses Bild. Sie hingegen verlassen das Haus um zehn nach neun. Der Sohn des Pächters sieht Sie vorbeikommen. Sie fahren nach Manosque und treffen sich dort mit den Elektroingenieuren. Sie essen mit ihnen zu Mittag. Um fünfzehn Uhr verabschieden Sie sich. Sie begeben sich auf eine Baustelle zu einer Arbeitsbesprechung. Um siebzehn Uhr dreißig sind Sie wieder in Manosque bei einem Zeitschriftenhändler. Um achtzehn Uhr spielen Sie im Nebenraum des Café Glacier Bridge mit einem Kieferchirurgen, einem Notar und einem Gerichtsschreiber. Diese gesellige Runde verlassen Sie um zwanzig Uhr, nachdem Sie zwei Gläser
Weitere Kostenlose Bücher