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Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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Bunde sein! Lassen Sie sich das gesagt sein!« – »Und deshalb wollten Sie auf Séraphin schießen?« – »Er ist ein Kind des Unglücks. Hätte Charmaine ihn nicht hierhergelockt, dann wäre nichts geschehen. Was kann man schon tun gegen so ein Kind des Unglücks? Es töten, weiter nichts. Wenn jemand im Blut eines Verbrechens geboren wurde, dann kommt er nie mehr davon los! Er ist nicht mehr unschuldig, das stimmt einfach nicht! Ein Verbrechen ist wie ein giftiger Pilz: Es vergiftet alle, Mörder wie Opfer. Es ist ansteckender als die Pest, so ein Verbrechen. Und der da – ja, sehen Sie das denn nicht? Schauen Sie ihn doch an! Wann immer das Schicksal eine Möglichkeit sieht, ihn mit Blut zu besudeln, dann tut es das auch. Mein Gott, welches Unglück, daß nur ich einen klaren Blick für so etwas habe! Ist Ihnen denn nicht klar, daß Sie auf ihn schießen würden, wenn Sie ihn so sehen könnten wie ich?« – »Er hat die Hunde getötet. Er kniete neben Ihrer Herrin.« – »Ach die! Die beiden waren ein schönes Paar! Sie hatte das Bild ihres gefallenen Helden ganz unten im Schrank versteckt, unter ihrer liederlichen Kleidung. Als ob sie ihn so daran hindern könnte, alles zu sehen.« – »Sie bleiben also bei Ihrer Aussage?« – »Natürlich bleibe ich dabei! Meine Mutter sagte immer zu mir, Eudoxie, sagte sie, sag immer die Wahrheit, sag das, was du für richtig hältst. Mit der Wahrheit als Katechismus wirst du stets zur Rechten Gottes sitzen!«
    Die Gendarmen hatten all das Wort für Wort, von Zeit zu Zeit mit der Zunge die Mine des Kopierstiftes anfeuchtend, sorgfältig und schön leserlich in vierfacher Ausführung in die Formulare übertragen.
    Der Richter mußte den Tatsachen ins Auge sehen. Hier war nur eine Spur zu verfolgen: Ein und dieselbe Person hatte erst Gaspard und dann Charmaine getötet, entweder weil sie lästig wurde oder weil sie das Geheimnis um den Tod ihres Vaters kannte und am Reden gehindert werden sollte. Die ganze Angelegenheit war klar und völlig undurchsichtig zugleich, denn der Hauptnutznießer dieser zwei Verbrechen saß – welch ein Pech! – im Gefängnis. Oder war dort zumindest noch in dieser Nacht gewesen, denn in diesem Augenblick mußte er bereits in seinem roten Auto unterwegs nach Pontradieu sein. Na, der würde hier ein schönes Theater vorfinden! Und wie stand es nun mit all den anderen hier im Raum, die auf seine Entscheidungen warteten? Jeder von ihnen hätte den Rand des Wasserbeckens einseifen, aber keiner hätte die Hunde freilassen können, ohne daß es ihm dabei wie Charmaine ergangen wäre. Wer hätte es dann aber ungestraft tun können? (Und sich dabei noch sicher genug fühlen dürfen, in aller Ruhe die Tür des Paddocks festzuhaken?) Das Rätsel, dem sich der Richter gegenübersah, wurde immer undurchdringlicher. Er erwog, ein Rechtshilfeersuchen an die Kollegen in Marseille zu schicken, um so in Erfahrung zu bringen, wo der Vater der Diva, der Verkäufer der Hunde, am betreffenden Tag gewesen war, da er offenkundig der einzige war, der sie gut genug gekannt hatte, um sie gefahrlos freilassen zu können. Aber wo lag das Motiv in diesem Fall? Man war schon im Zusammenhang mit dem Mord an Gaspard auf ihn verfallen, immerhin verfügte er über ein kleines Vorstrafenregister. Sein Alibi hatte sich jedoch als hieb- und stichfest erwiesen. Warum hätte er herkommen sollen, um Charmaine umzubringen?
    »Ich muß das Motiv finden«, sagte der Richter zu sich selbst, »ohne Motiv …«
    Es war spät geworden, und er hatte zu viele Verdächtige. Die Gendarmen hatten bereits einen Anruf von der Wache erhalten. Die Eltern des blonden Mädchens hatten die halbe Gegend in Aufruhr versetzt. Sämtliche Einwohner von Lurs durchkämmten die umliegenden Gebüsche und Hecken, denn die in Tränen aufgelöste Bäckerin war nicht einmal mehr in der Lage, Brot auszuliefern. Erst mußte ihre Tochter gefunden werden. Man war dabei, alle Wasserbecken nach ihr abzusuchen. Man hatte die Wasserzufuhr des Kanals unterbunden, um seinen Grund absuchen zu können.
    »Jetzt muß eine rasche Entscheidung getroffen werden«, sagte der Richter sich und traf sie. Er traf daneben. Da diese Haus- angestellte so hartnäckig auf ihrer Aussage beharrte … Wie hieß sie noch gleich? Ach ja, hier war es: Eudoxie Chamechaude. Nun, da diese Chamechaude selbst zugab, sie habe besagten Séraphin Monge beseitigen wollen, was sie ohne das Eingreifen des Mädchens Marie Dormeur auch getan hätte, war

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