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Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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alles in bester Ordnung. Die Chamechaude war in jedem Fall der Justiz zu überstellen.
    Da ertönte zum ersten Mal Séraphins sanfte Stimme:
    »Ich erstatte keine Anzeige«, sagte er.
    »Wie bitte? Sie wollte Sie umbringen. Sie gibt es zu. Und Sie wollen keine Anzeige erstatten?«
    »Nein, ich erstatte keine Anzeige. Ich habe kein Recht dazu.« »Wie bitte? Was soll denn dieser Unsinn? Wer will Ihnen dieses Recht nehmen? Ich verstehe wirklich nicht, was Sie davon abhält, auf einem Recht zu bestehen, das das Gesetz Ihnen zubilligt.«
    Der Richter warf einen verstohlenen Blick auf Séraphin, der den Mund nicht mehr aufmachte und der jetzt mit all dem getrockneten Blut und den Schürfungen und Quetschungen ganz schwarz aussah. Dieser Riese schien ihm immer weniger geheuer. Schon bei seiner Geburt hatte er als einziger ein Massaker überlebt, und dann hatte er es fertiggebracht, unversehrt aus dem Blutbad des Krieges zurückzukehren, und das, obwohl er – wie der Richter wußte – an den umkämpftesten Orten dabeigewesen war. Darum beneidete ihn der Richter, so wie man einen Mann beneidet, der viele Liebschaften gehabt hat. Und nun war er dank der Liebe eines Mädchens und seiner eigenen unheimlichen Kräfte ein weiteres Mal dem Tode entronnen. Das war ein bißchen viel. Nun ja, wie dem auch sein mochte … Vorerst war er noch das Opfer. Und die Angeklagte war diese arme Frau in dem Kleid aus Sackleinen, die sich mit ihren von Wahrheitsliebe zeugenden Aussagen selbst einen Strick gedreht hatte, die ihm aber nichtsdestoweniger sympathisch war. Er mochte ergebene Dienstboten.
    Er gab den Gendarmen ein Zeichen.
    »Und in ebendiesem Augenblick ist Patrice zurückgekommen, mein lieber Herr, da Sie es so genau wissen wollen! O Gott. Ein einziger Blick auf ihn ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Sie können sich keine Vorstellung davon machen. Es gibt sie heute nicht mehr, diese gueules cassées von 1914. Oder zumindest kaum mehr. Sie sind inzwischen alle gestorben. Es war vor allem sein Kinn, seine Stirn … und seine Ohren … oder das, was davon noch übrig war. Ja, und die andere, die Rose Sépulcre, die war bei ihm. Sie hatte schnell kapiert, worauf es ankam. Verstehen Sie mich recht – ich bewundere sie. Man mußte das erst einmal fertigbringen! Ich hätte es nicht gekonnt. Na, jedenfalls waren sie beide da. Man hatte sie vorgewarnt. Er kam aus dem Gefängnis und fand seine Schwester von den Hunden zerfleischt vor. Wenn Sie wüßten, wie sehr er sie geliebt hat. Uns wurde das deutlich, als er fragte: ›Wo ist sie?‹ und sofort entschlossen auf die Waschküche zuging. Er ging hinein. Er machte eine hilflose Handbewegung. Rose hat geschrien. Sie hat sich an ihn gehängt. Er ging wie ein Roboter, und sie hing an ihm wie eine Klette. Sie hat wieder geschrien. Er hat sie ungeduldig zur Seite geschoben. Und wenn ich ehrlich sein soll, er war sogar brutal. Dann ist er auf die Knie gefallen. Er hat das Laken gepackt, das die Leiche seiner Schwester bedeckte, und hat es zurückgeschlagen. Und dann … was an ihr noch heil war, war ihr Gesicht. Und Patrice, er begann es behutsam zu streicheln. Dann hat er sich vorgebeugt und ihre Augenbrauen, Stirn und Haare mit kleinen Küssen bedeckt, so wie man ein ganz kleines Kind über einen großen Kummer hinwegtröstet. Dabei sind ihm selbst die Tränen über das Gesicht gelaufen … Oh, diese gueule cassée weinen zu sehen, dabei ging einem das eigene Herz entzwei. ›Deck sie zu!‹ schrie Rose. ›Ich flehe dich an, deck sie zu.‹ Der Anblick ihres Bauches und ihrer Brust war nämlich wirklich kaum zu ertragen. Ja, und dann hab ich gesehen, daß Rose nicht mehr konnte. Daß sie gleich umkippen würde. Daß sie nicht mehr ansprechbar war. Nebenbei gesagt: Den Anblick von Patrices Gesicht hat sie tapfer ertragen. Und ich, die ich schaudernd vor ihm zurückgewichen bin, ich konnte Charmaines zerfetzten Bauch betrachten, ohne schwach zu werden. Wie soll man das erklären? Nun ja, wer kennt sich schon aus mit der menschlichen Natur? Und dann … Was hätten Sie an meiner Stelle getan? Ich hab Rose in dem Moment aufgefangen, als sie umkippte, und zog sie an mich. Es war schon ein komisches Gefühl für mich, meine Intimfeindin so im Arm zu halten … Aber was soll’s … Du sollst deinen Nächsten lieben … Und dann hab ich gesehen, wie Séraphin neben Patrice hinkniete, und er war es, der das Laken wieder über Charmaines sterbliche Überreste gebreitet hat. Dann hat er

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