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Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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anderen Seite dieses leeren Platzes, ich hab auch geweint: über ihn!«
    … sollte Marie sechzig Jahre später sagen.
    13
    DAS Vorhängeschloß, das den Riegel an der Tür zum Paddock sicherte, war mit einer Zange aufgezwickt worden. Die Tür war aufgestoßen und sogar festgehakt worden; so blieb sie weit geöffnet und hatte die Hunde gleichsam dazu eingeladen, das Gehege zu verlassen und sich auf die erstbeste Beute zu stürzen. Der Richter, der Patrice widerstrebend bis auf weiteres Haftverschonung gewährt hatte, war am Vormittag in aller Eile aus Digne herübergekommen, so sehr beunruhigte ihn dieses Rätsel. Er hatte die Niederschrift der von den Gendarmen durchgeführten Verhöre und den Bericht des Arztes gelesen. Er war in die Waschküche gegangen, wo man Charmaines sterbliche Überreste auf einem Lattenrost ausgebreitet hatte. Er hatte eigenhändig das Laken zurückgeschlagen, das man über sie gebreitet hatte. Daraufhin hatte er sich bekreuzigt, unwillkürlich, ohne daran zu denken, was er tat.
    Als er den Salon von Pontradieu betrat, sah er als erstes Séraphin Monge, blutverkrustet, die Brust kaum durch das ebenfalls blutige Hemd verdeckt, das man ihm zurückgegeben hatte. Seine riesigen Hände waren schwarz von Blut und mit Löchern und Rissen übersät, aus denen immer noch Wundserum austrat.
    In seiner Gegenwart empfand der Richter ein unerklärliches Unbehagen. Die Gendarmen hatten ihm die Geschichte dieses Riesen erzählt, der im Alter von drei Wochen das Massaker an seiner Familie überlebt, der sein Geburtshaus Stein für Stein abgetragen hatte, um so dem Alptraum, an den es ihn erinnerte, zu entrinnen, und der sich jetzt von neuem im Mittelpunkt zweier Verbrechen befand.
    Der Richter hatte sich in der Allee den Schauplatz des Dramas angesehen. Er hatte die beiden Hundekadaver betrachtet, deren Anblick ihn nachdenklich stimmte. Der eine war wie von einer Straßenwalze plattgedrückt, der andere buchstäblich in Stücke gerissen worden. Jede der Bestien wog sicherlich fünfzig Kilo. Wie hatte ein einzelner unbewaffneter Mann mit ihnen fertig werden können? Zwar war auch Séraphin Monge übel zugerichtet worden, aber er stand doch aufrecht da, mit ruhigem Atem, mit wildem Gesichtsausdruck und unstetem Blick. Held oder Mordverdächtiger, das war die Frage. Es lag nur allzu nahe, diesen kraftstrotzenden Kerl zu verdächtigen. Hatte er am Ende den ganzen Vorfall, bei dem sein Leben auf dem Spiel zu stehen schien, selbst inszeniert? Am besten erst einmal nachsehen, was dieses blonde Mädchen mit den aufgelösten Zöpfen ausgesagt hat, das diesen äußerst verdächtigen Séraphin Monge geradezu mit den Augen verschlang. Was hat sie den Gendarmen erzählt, die ihre Aussage protokolliert haben?
    »Ich hab gewartet, bis meine Mutter eingeschlafen war. Dann bin ich runter nach Peyruis gefahren.« – »Warum?« – »Um nach Séraphin zu sehen.« – »Warum?« – »Weil man mir gesagt hat, er hätte etwas mit der lustigen Witwe.« – »Und haben Sie ihn zusammen mit dem Opfer gesehen?« – »Ja, ich hab ihn gesehen.« – »War das Opfer zu dem Zeitpunkt noch am Leben?« – »Am Leben? Das kann man wohl sagen!« – »Wie spät war es da?« – »Meine Mutter geht um neun Uhr ins Bett. Und dann noch die Zeit, die ich bis nach Peyruis gebraucht habe.« – »Und warum sind Sie Séraphin dann bis nach Pontradieu gefolgt?« – »Weil ich ihn liebe.«
    Marie hatte Séraphin also von neun Uhr abends an im Auge behalten, von dem Moment an, als er mit dem zu diesem Zeitpunkt noch quicklebendigen Opfer zusammengewesen war. Und Charmaine hatte ihn dann verlassen und war nach Hause gefahren. »Warum ist sie nach Hause gefahren?« Auf diese Frage wollte Séraphin durchaus keine Antwort geben. Allerdings hatte er auch die übrigen Fragen nicht beantwortet, das Mädchen hatte es für ihn getan. Auch er hatte sich auf den Weg nach Pontradieu gemacht, und zwar mit Marie auf den Fersen. Er konnte nicht vor dem Opfer in Pontradieu gewesen sein und die Hunde freigelassen haben, ebensowenig wie die eifersüchtige Marie.
    Die Pächterfamilie und diese Hausangestellte in ihrem Kleid aus Sackleinen hatten Charmaines Auto vorfahren hören.
    »Aber wenn Sie das Auto gehört haben, dann müssen Sie doch auch Schreie gehört haben? Denn schließlich hat sie doch wohl geschrien, als sie angefallen wurde?« – »Nein«, hatte sich der Arzt eingeschaltet. »Sie muß den Hunden den Rücken zugewandt haben. Der erste hat ihr die

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