Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
unaufhörlich an der Rede, die er dem Tyrannen bei der ersten Gelegenheit halten wollte, und immer wieder polierte er von neuem die scharfgeschliffene rächende Ansprache, die er zu ›improvisieren‹ und ihm ins Gesicht zu schleudern gedachte, falls dieser wagte, seine entehrenden Vorschläge noch einmal zu erneuern.
Doktor Châtonnay und der inzwischen von seinem Hexenschuß völlig genesene Saint-Bérain, die alle beide, der eine wegen mangelnder Patienten, der andere, weil die Umstände ihm die Ausübung seines Lieblingssports unmöglich machten, nichts Rechtes mit sich anzufangen wußten, leisteten gewöhnlich Jane Buxton Gesellschaft und bemühten sich, sie zu trösten. Die Erinnerung an ihren in der Einsamkeit seines Schlosses zurückgelassenen Vater bedrückte sie um so mehr, als sie sich jetzt für imstande gehalten hätte, die unheilbare Verzweiflung des alten Mannes doch einigermaßen zu lindern. Würde sie ihm wohl die zwar noch unvollständigen, aber doch schon sehr bewegenden Beweise für George Buxtons Unschuld jemals vorlegen können?
Amédée Florence verbrachte einen großen Teil seiner Zeit mit der Abfassung seiner täglichen Berichte. Keinen einzigen Tag verfehlte er, dieser seiner Berufspflicht zu genügen. Sollte man das Glück haben, Europa wiederzusehen, so würde wenigstens das Lesepublikum die Abenteuer der Mission Barsac bis in die kleinsten Einzelheiten zur Kenntnis nehmen können.
Was Monsieur Poncin anbelangte, so sagte und tat er nichts, als daß er von Zeit zu Zeit in sein umfangreiches Notizbuch eine jener kabbalistischen Aufzeichnungen eintrug, die auch weiterhin Amédée Florences Neugier lebhaft beschäftigten.
»Wäre es wohl indiskret, Monsieur Poncin«, wagte er eines Tages seinen schweigsamen Gefährten zu interpellieren, »Sie zu fragen, was Sie da mit solcher Sorgfalt notieren?«
Monsieur Poncins Gesicht hellte sich förmlich auf. O nein, das war nicht indiskret. Monsieur Poncin fühlte sich im Gegenteil enorm geschmeichelt, daß jemand auf seine Tätigkeit achtgab und Verständnis dafür hatte, daß sie interessant sein müsse.
»Im Augenblick beschäftige ich mich mit Rechenaufgaben«, erklärte er mit wichtigtuerischer Miene.
»Was Sie nicht sagen!« rief der Reporter aus.
»Ja, Monsieur. So habe ich soeben gerade die folgende gelöst: »A ist zweimal so alt wie B, als A so alt wie B war. Wenn B so alt wie A sein wird, so ergibt die Summe ihrer addierten Lebenszeit N Jahre. Wie alt ist A, und wie alt ist B? Wenn man das Alter von A zunächst mit X bezeichnet …«
»Aber das ist doch keine Rechenaufgabe, was Sie sich da ausdenken, Monsieur Poncin!« rief Amédée Florence aus. »Das ist doch einfach ein Geduldspiel nach chinesischer Art! Und solche Übungen machen Ihnen Vergnügen?«
»Sie müssen doch zugeben, daß es passionierend ist! Diese Aufgabe ist sogar ganz besonders elegant. Ich löse sie seit meiner Kindheit, ohne ihrer jemals müde zu werden.«
»Seit Ihrer Kindheit?« fragte Florence verdutzt.
»Ja, Monsieur«, bestätigte Monsieur Poncin nicht ohne Eitelkeit. »Ich bin heute bei meiner elfhundertsiebenundneunzigsten Lösung angelangt, bei der sich für A viertausendsiebenhundertachtundachtzig und für B dreitausendfünfhunderteinundneunzig Jahre ergeben.«
»Da sind sie keine jungen Leute mehr«, gab Amédée seinem Gesprächspartner mit unbewegter Miene zu bedenken. »Aber die elfhundertsechsundneunzig anderen Lösungen …«
»Waren ebenso richtig. Jeweils das Vielfache von 9 fügt sich in die Gleichung ein, so daß die Zahl exakter Lösungen positiv unbegrenzt ist. Auch wenn ich zehntausend Jahre lebte, würde ich damit niemals zu Ende kommen. Wenn wir nämlich das Alter von A mit X und das Alter von B mit Y bezeichnen …«
»Im Augenblick beschäftige ich mich mit Rechenaufgaben …«
»Ach, nein, Monsieur Poncin«, fällt ihm Florence erschrocken ins Wort. »Ich möchte Ihnen lieber eine andere Aufgabe unterbreiten, die für Sie wenigstens den Reiz der Neuheit haben wird.«
»Mit Vergnügen«, antwortete Monsieur Poncin, der mit dem Bleistift in der Hand nur auf die Angaben wartete, die er erhalten sollte.
»Drei Personen«, diktierte Amédée Florence, »die eine ein Meter neunzig, die zweite ein Meter achtundsechzig, die dritte siebenundzwanzig Zentimeter groß, haben in achtundzwanzig Tagen eine Strecke von dreihundertzweiunddreißig Kilometern durchmessen. Wieviele Kilometer würden in einer Sekunde acht Personen
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