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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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war ihr neuer Haarschnitt fürchterlich, man konnte denken, sie sei beim selben Friseur gewesen wie Herzogin Camilla.
    Mum warf die Schuhe, die sie nicht brauchte, hinter sich auf den Teppich. Unsere Hündin Butter – mit vollem Namen Princess Buttercup formerly known as Doctor Watson (Doctor Watson stammte aus der Zeit, bevor wir wussten, dass sie kein Rüde war) – schnappte sich einen Joggingschuh und schleppte ihn zu ihrem improvisierten Schlafplatz unter dem Couchtisch, wo sie ihn genüsslich zu zerkauen begann. Niemand von uns hinderte sie daran, schließlich hatte sie es im Moment auch nicht leicht. Ich wette, sie hatte sich genauso auf das Haus mit Garten gefreut wie wir. Aber sie hatte natürlich auch keiner gefragt. Hunde und Kinder hatten in diesem Haushalt keinerlei Rechte.
    Ein zweiter Joggingschuh flog mir gegen das Schienbein.
    »Mum«, sagte ich unfreundlich. »Muss das sein? Als ob es hier nicht schon chaotisch genug wäre.«
    Mum tat, als habe sie mich nicht gehört, und wühlte weiter in der Schuhkiste herum, und Lottie bedachte mich mit einem vorwurfsvollen Blick. Ich starrte finster zurück. Fehlte ja wohl noch, dass ich jetzt nicht mal mehr was sagen durfte.
    »Da sind sie ja.« Mum hatte endlich die gewünschten Schuhe – ein Paar schwarze Pumps – gefunden und hielt sie triumphierend in die Höhe.
    »Na, das ist ja die Hauptsache«, sagte Mia giftig.
    Mum schlüpfte in die Pumps und drehte sich zu uns um. »Von mir aus können wir«, sagte sie fröhlich. Dass Mia und ich sie mit Blicken bedachten, von denen andernorts die Milch sauer wurde, schien sie nicht zu stören.
    Lottie umarmte uns. »Ihr schafft das schon, meine Kleinen. Es ist ja nun wirklich nicht euer erster erster Schultag.«

3.
    Ich hob mein Kinn und straffte die Schultern, so gut das in der engen Jacke eben ging. Lottie hatte recht – das war nun wirklich nicht unser erstes Mal an einer neuen Schule, wir hatten schon weit Schlimmeres überstanden. Dieses Mal konnten wir immerhin die Landessprache verstehen und sprechen, das war zum Beispiel in Utrecht nicht der Fall gewesen. Obwohl Mum hartnäckig behauptete, wer Deutsch beherrsche, verstünde auch Niederländisch. (Natuurlijk! En de aarde is een platte schijf, Mum!) Und bestimmt musste man hier auch nicht befürchten, auf der Toilette einem Riesentausendfüßler zu begegnen wie in Hyderabad. (Ich träumte manchmal noch von diesem Vieh – es war länger als mein Unterarm gewesen, und noch schlimmer, es hatte mich angeguckt, aus gruseligen Tausendfüßleraugen!) Im Gegenteil, wahrscheinlich war hier alles so keimfrei sauber, dass man sich sogar bedenkenlos auf die Klobrille setzen konnte. Die Frognal Academy für Jungen und Mädchen war eine Privatschule im noblen Londoner Stadtteil Hampstead, was bedeutete, dass die Kinder hier morgens nicht mit Metalldetektoren nach Waffen durchsucht wurden wie auf meiner vorvorletzten Schule in Berkeley, Kalifornien. Und bestimmt gab es hier auch noch nettere Schüler als dieses Mädchen hier, das mich schon die ganze Zeit anschaute, als ob ich schlecht riechen würde. (Was ich nicht tat – schon wegen des Käses hatte ich eine Viertelstunde länger geduscht als normal.)
    Ich konnte nur hoffen, dass man Mia eine nettere »Patin« zugewiesen hatte.
    »Ist Liv die Abkürzung für Livetta oder für Carlivonia?«
    Wie bitte? Wollte sie mich verarschen? Niemand auf der Welt hieß Livetta oder Carlivonia, oder? Andererseits – sie selbst hieß Persephone .
    »Olivia«, sagte ich und ärgerte mich über mich selber, weil ich mir unter Persephones kritischem Blick schon die ganze Zeit wünschte, Lottie hätte die Schuluniform doch in der richtigen Größe eingekauft. Und dass ich meine Kontaktlinsen anstelle der Nerdbrille angezogen hätte, die zusammen mit dem strengen Pferdeschwanz einen seriösen Gegenpol zu dem zu kurzen Rock und der zu engen Jacke bilden sollte. Was sie ja auch tat.
    Die Direktorin hatte Persephone zu meiner Patin bestimmt, weil ein Stundenplanabgleich ergeben hatte, dass wir nahezu alle Kurse gemeinsam hatten. Vorhin im Schulleiterbüro hatte sie mich noch ganz freundlich angelächelt, ja, ihre Augen hatten richtig geleuchtet, als die Direktorin ihr erklärte, dass ich zuvor unter anderem in Südafrika und den Niederlanden gelebt hatte. Aber das Leuchten war sofort erloschen, als ich ihre Frage, ob meine Eltern Diplomaten seien oder eine Diamantenmine besäßen, mit nein beantworten musste. Seitdem hatte sie auch das

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