Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
Ex-Freundin Madison erblickte.
    »Tja«, sagte er und trat zu mir an den Rand der Empore. »Das ist dann wohl der traurigste Tag in ihrem Leben. Sie wird Nathan die ganze Zeit anstarren und denken, dass sie stattdessen auch mit mir hätte hier sein können, wenn sie nur nicht so eine blöde Kuh gewesen wäre.«
    »Ja, ganz bestimmt«, sagte ich und ließ Henry mit Jasper allein, um mich an die schwierige Aufgabe zu machen, mitsamt meinen Röcken heil von der Empore zu kommen, was nur zu bewerkstelligen war, wenn man die Blicke starr auf die Stufen richtete. Ich hatte es fast geschafft, als ich am Fuß der Treppe mit einem Mädchen zusammenstieß.
    »Anabel!«
    Sie war es tatsächlich, zierlich und wunderschön anzusehen in einem schwarz-cremefarbenen Korsagenkleid, an dessen Rock genauso wenig mit Tülllagen gespart worden war wie bei meinem. Genau wie in meinen Träumen wirkte sie nervös und angespannt und ein bisschen traurig. Kein Wunder. Arthur hatte besitzergreifend die Hand auf ihre Schulter gelegt. Immerhin schien er unbeschadet aus dem Traum vergangene Nacht erwacht zu sein.
    »Liv Silber«, sagte Anabel, und ihre glänzenden, türkisblauen Augen glitten an mir hinab. »Hübsches Kleid. Du und Henry, ihr seht großartig zusammen aus.«
    »Ihr kennt euch?«, fragte Florence, die mit ihrem Klemmbrett neben der Treppe stand, überrascht.
    »Äh, nein«, sagte Anabel und lächelte. »Nur aus dem Tittle-Tattle-Blog. Secrecy scheint ein besonderes Interesse an uns zu haben, nicht wahr, Liv?«
    Ich nickte. »Geht es dir gut?«, fragte ich besorgt.
    Anabel senkte den Blick.
    »Es geht ihr bestens«, antwortete Arthur an ihrer Stelle und schob sie die Empore hinauf.
    Henry und ich schauten ihnen nach. »Hast du noch mal mit ihm gesprochen? Er sieht irgendwie mitgenommen aus«, flüsterte ich Henry zu. »Und Anabel ist ja bleich wie eine Leiche.«
    Bei dem Wort Leiche zuckte Henry eindeutig zusammen. »Ich hatte keine Zeit, mit Arthur zu sprechen, ich musste mich zu Hause um ein paar Sachen kümmern und verdammte Lackschuhe auftreiben und …« Er seufzte. »Hör zu, Halloween ist erst in dreieinhalb Wochen, bis dahin wird uns etwas einfallen. Aber heute sollten wir einfach mal an was anderes denken. Heute ist ein besonderer Abend. Denn, bei Gott, heute werden keine Dämonen gejagt …«, er warf sich in die Brust, und ich musste lachen, weil ich jetzt erst sah, dass er tatsächlich den Orden angesteckt hatte, »bei Gott, heute wird getanzt!«
    »Das hast du aus einem Film geklaut!«, sagte ich vorwurfsvoll, obwohl ich gerade nicht drauf kam, aus welchem.
    Er schüttelte grinsend den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste.«
    So oder so, er sollte recht behalten. Denn, bei Gott, es wurde getanzt. Und mit dem Tanzen war es so eine Sache. Die erste Stunde wurde nämlich nur klassische Musik gespielt, allerdings nicht vom Streichquartett, das sich nach den offiziellen Fotos zurückzog, sondern aus der Anlage, dafür aber vom London-Symphony-Orchestra. Der traditionelle Eröffnungswalzer, angeführt von Direktorin Cook und einem weißbärtigen Lehrer mit sehr viel Pomade in Bart und Haar, war nur etwas für Hardcore-Ballfans und Bewunderer des Wiener Opernballs.
    Henry und ich waren uns einig, dass es viel lustiger war, den anderen Paaren dabei zuzusehen, wie sie sich in einer Reihe aufstellten und zu den feierlichen Klängen von Johann Strauß’ Hommage an Königin Viktoria über die Tanzfläche schritten, inklusive einiger Verbeugungen und – das absolute Highlight, zumindest für Henry und mich – Hebefiguren. Bei Graysons angsterfülltem Blick, kurz bevor er Emily in die Luft hievte, mussten wir sehr lachen, allerdings wurde uns dabei auch klar, warum sich Florence mit ihrem Talent dafür, die perfekte Entscheidung für den entsprechenden Anlass zu treffen, Callum Caspers geangelt hatte. Der sah zwar wirklich so unscheinbar aus, wie Secrecy ihn beschrieben hatte, aber er konnte ganz hervorragend tanzen, vielleicht am besten von allen. Ganz im Gegensatz zu Persephone. Sie winkte mir im Vorbeischweben huldvoll zu, brachte dann aber die ganze Formation durcheinander, weil sie bei Jaspers Anblick wie üblich zur Salzsäule erstarrte.
    Arthur und Anabel tanzten nicht. Sie standen oben auf der Empore, hielten sich an den Händen und wirkten irgendwie abwesend.
    »Sollten wir nicht …?«, fragte ich Henry, aber der schüttelte nur den Kopf.
    Später wagten wir uns auch auf die Tanzfläche, und ich bereute ein wenig, dass ich

Weitere Kostenlose Bücher