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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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du wieder bewiesen, wie gut du das mittlerweile beherrschst. Aber du bist eine Verpflichtung eingegangen, wir alle sind das.« Er machte eine Handbewegung, die das gesamte Traumtal umfasste. »Für das hier. Für unermessliche Macht. Für die Erfüllung unserer Herzenswünsche.« Ein Schatten glitt über sein Gesicht. »Anabel ist die Einzige, die das begreift.«
    Na klar, unser Musterpärchen. Saß ganz vorn in der Schule der Dämonenbeschwörung.
    »Weil du und der Dämon Anabels Exfreund auf dem Gewissen habt. Und ihren Hund«, sagte ich. »Ist doch logisch, dass sie daran glaubt.« Ein bisschen zu spät fing ich Henrys warnenden Blick auf. Okay, das war nicht gerade die subtilste Art, einen Verdächtigen auszufragen. Sherlock Holmes wäre nicht stolz auf mich gewesen.
    Arthur kniff die Augen zusammen. »Kleine Liv«, sagte er überheblich. »Du bist noch zu frisch dabei, um auch nur annähernd zu verstehen, worum es hier geht.«
    Ich verschränkte die Arme. Wenn mich jemand »kleine Liv« nannte, wurde ich bockig.
    »Vielleicht ist es aber auch genau umgekehrt, und im Gegensatz zu dir habe ich meinen gesunden Menschenverstand noch beisammen und mich noch nicht durch das Zeichnen von Drudenfüßen und das Murmeln nebulöser Sprüche total irre machen lassen.« Ich funkelte ihn an. »Was passiert denn bei dem letzten Ritual? Was willst du an Halloween tun? Noch ein paar schwarze Kerzen anzünden? Einen Altar bauen und ein Lamm schlachten? Oder hey, wenn du schon dabei bist, meinst du nicht, ein Menschenopfer wäre noch ein bisschen effektvoller?« Ich hätte beinahe gelacht, so sehr hatte ich mich in Rage geredet, aber eine Regung in Arthurs Miene ließ mich innehalten. Bei meinen Worten war etwas in seinen Augen aufgeflackert, etwas Dunkles, Wildes …
    Mir wurde schlagartig übel. Nein! Hatte ich damit etwa ins Schwarze getroffen?
    Unsinn, das konnte einfach nicht sein. Das durfte nicht sein.
    » Pugio cruentus – der blutbefleckte Dolch«, murmelte Henry.
    Arthur nickte. »Da hast du deine Antworten, Henry. Und im Grunde deines Herzens hast du es die ganze Zeit gewusst. Du hast dich nur geweigert, der Wahrheit ins Auge zu sehen.«
    »Das ist nicht euer Ernst«, flüsterte ich.
    Arthur beachtete mich gar nicht mehr. Für ihn schien nur noch Henry zu zählen. »Anabel ist bereit«, sagte er. »Sie möchte wieder gutmachen, was sie beinahe angerichtet hätte. Und sie will die Sache zu einem Ende führen. Für uns alle!«
    Während er sprach, hatte sich die Landschaft verändert, erst unmerklich, dann immer schneller, bis wir in einer ganz anderen Kulisse standen. Die Landschaft ringsrum wurde grüner und dunkler, das Flussbett, die Felsen, die rote Erde verblassten, stattdessen wuchs ein Dickicht aus Gräsern, Farn und Efeu zu unseren Füßen. Die Farbe des Himmels hatte von strahlendem Wüstenblau in ein verhangenes Grau gewechselt.
    Arthurs Stimme zitterte kaum merklich, als er sich einem monumentalen Grabmal zuwendete, das von zwei Engeln bewacht wurde. »An Halloween wird sie sich opfern, um den Fürsten der Finsternis aus seinem Schattenbann zu erlösen.« Er hob den Arm. »Und zwar genau hier.«
    Ich starrte die Engel an, ohne sie wirklich zu sehen. »Aber … du liebst Anabel«, stammelte ich. »Und sie dich. Du kannst doch nicht wirklich wollen … siehst du denn nicht, wie krank das ist?«
    Ich drehte mich zu Henry herum. Wieso stand er so ruhig da? Arthur hatte soeben erklärt, dass er dafür sorgen wollte, dass sich seine Freundin – die auch Henrys Freundin war – für einen nichtexistenten Dämon umbringen ließ!
    Henrys graue Augen waren starr auf Arthur gerichtet. »Du glaubst, weil es im Traum stattfindet, würdest du das fertigbringen, richtig? Du glaubst, weil es nur ein Traum ist, könntest du das tatsächlich durchziehen.«
    Arthur nickte wieder.
    Ich keuchte beinahe vor Erleichterung. Ein Traum, natürlich. Anabel sollte nur im Traum sterben. Aber – war es damit weniger schrecklich?
    Henry trat auf Arthur zu und stand nun direkt vor ihm. Gleich neben Arthur lehnte eine Engelsfigur an einem moosbeckten Grabstein, und hinter ihm im Dickicht erkannte ich noch weitere Grabsteine, die wie abgebrochene Zähne aus dem Efeu ragten. Wir waren wieder mal auf dem Highgate Cemetery gelandet.
    »Ihr glaubt, das ist der Weg, diese Sache zu beenden, ohne dass jemand zu Schaden kommt?« Henry sprach sehr langsam, fast wie zu einem Kind.
    »Das ist der einzige Weg«, stieß Arthur hervor. Er schwieg einen

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