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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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aus. Hinter ihm schimmerten die Straßenlaternen und warfen ein warmes Licht auf die kiesbedeckte Auffahrt, und wenn eine Kutsche mit weißen Schimmeln um die Ecke gebogen wäre, um mich zum Ball abzuholen, dann hätte ich mich nicht weiter gewundert. Ha! Cinderella war nichts dagegen.
    Alle hatten mir versichert, dass mir das Kleid großartig stand, und als ich vorhin ein letztes Mal in den Spiegel geschaut hatte, hatte ich das Gefühl gehabt, mein breites Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht zu bekommen. So idiotisch dieses Tüllgemenge auf dem Bügel auch aussah, irgendwie musste ich zugeben, dass es aus mir einen anderen Menschen machte. Einen schöneren Menschen. Und dieser Blauton passte tatsächlich exakt zu meiner Augenfarbe, genau wie Mum gesagt hatte. Sie hatte in zwei Stunden schätzungsweise vierhundert Fotos von mir geschossen (»Dass ich diesen Tag noch erlebe!«), Lottie hatte geweint (»Mein wunderschönes Elfenkind!«), Florence zufrieden genickt (»Vera Wang ist immer eine gute Wahl«), und Mia hatte bewundernd in die Hände geklatscht (»Du wirst das schönste Schaf im Ballsaal sein«). Einzig Ernests Reaktion dämpfte meinen Höhenflug ein bisschen, weil er behauptete, dass ich meiner Mum bis aufs Haar gliche. Aber es sollte wohl ein Kompliment sein.
    Lottie hatte heute Nachmittag meine Haare mit dem Lockenstab aufgedreht und auf dem Hinterkopf festgesteckt, und ich war überrascht, wie gut mir das stand. Es hatte einen kleinen Moment der Panik gegeben, als ich mein Kontaktlinsenschälchen nicht gefunden hatte und befürchtete, mit der Nerdbrille zum Ball gehen zu müssen, aber dann stellte sich heraus, dass Florence es beim Aufräumen aus Versehen zu den Putzmitteln in den Badezimmerschrank gestellt hatte.
    Es war allerdings das eine zu wissen, dass man gut aussah; das andere war es, Henrys Augen leuchten zu sehen. Er machte selbst eine ziemlich gute Figur im Frack, auch wenn er seine Frisur der formellen Kleidung nicht angepasst hatte: Die Haare standen wie immer wild nach allen Seiten ab. Wir kamen trotzdem unbehelligt an Mrs Lawrence und Pandora Porter-Peregrin vorbei, die den altehrwürdigen Eingang zur Frognal Academy bewachten, der mit den Feuerschalen und Fackeln heute einen auf »Downton Abbey« machte. Standesgemäß ließen Pandora und Mrs Lawrence nur passieren, wer sich an den Dresscode gehalten hatte.
    »Bodenlang und Frack«, sagte Mrs Lawrence unbarmherzig zu einem Pärchen in Cocktailkleid und Smoking. »Versucht es nach dem offiziellen Teil noch einmal oder geht nach Hause und zieht euch um.«
    »Die härteste Tür Londons«, kommentierte Henry, der auf dem Weg hierher seine gewohnte Lässigkeit zurückgefunden hatte, und ich musste kichern.
    Wer hätte an meinem ersten Schultag an der Frognal gedacht, dass ich tatsächlich auf diesen albernen Herbstball gehen würde, nur knappe fünf Wochen, nachdem ich vor dem Plakat gestanden und Persephone verächtlich »Vergiss es!« gesagt hatte? Und vor allem, wer hätte gedacht, dass mir das sogar Spaß machen würde?
    Das Ballkomitee hatte wirklich beeindruckende Arbeit geleistet. Das Schaffen des perfekten viktorianischen Ambientes war allerdings kein großes Kunststück gewesen, denn der Ballsaal der FrognalAcademy stammte noch aus der Gründungszeit der Schule. Die großen Bogenfenster an der Längsseite verliehen dem Raum etwas Herrschaftliches, genau wie die Wandgemälde und der Stuck an der Decke. Das Parkett war auf Hochglanz poliert, und die riesigen Kronleuchter warfen ihr Licht auf die bunten Blumenarrangements und die schimmernden Kleider der Gäste, die in kleinen Grüppchen zusammenstanden. Dass in einer Ecke nur ein mickriges Streichquintett spielte, enttäuschte mich fast, ich hätte bei Florence’ Organisationstalent mindestens die Londoner Philharmoniker erwartet. Aber die machten vielleicht gerade eine Auslandstournee.
    Florence empfing als Ballkomitee-Vorsitzende jedes einzelne Paar persönlich. Als wir an die Reihe kamen, lotste sie uns energisch in die Fotoecke, die auf einer Empore eingerichtet worden war. Wir versuchten, möglichst stilecht in die Kamera zu gucken, und ich schaffte es zumindest einmal, ohne vor Lachen loszuprusten. Jasper, der gleich nach uns kam, hatte solche Probleme nicht. Ganz Rasierspaß-Ken, hatte er gleich zwei Mädchen eingehakt, und vermutlich hatte er noch eins auf dem Mädchenklo als Reserve deponiert. Auch sonst machte er einen ziemlich aufgedrehten Eindruck, vor allem, als er seine

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