Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
in ein Taxi zu steigen.
    »Hey!«, schrie ich. »Anabel! Arthur! Wartet!«
    Anabel wandte den Kopf und schaute in meine Richtung, aber dann folgte sie Arthur in den Wagen und schloss die Tür.
    Verdammt.
    Ich rannte die Treppenstufen hinab und überquerte den Schulhof. Das Taxi setzte sich langsam in Bewegung. Gleich hinter ihm wartete ein zweites Taxi, offensichtlich bestimmt für den älteren Herrn, der vorhin mit der Direktorin den Eröffnungstanz angeführt hatte, denn er wackelte zielsicher darauf zu. Aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich schob ihn beiseite und riss die Taxitür auf.
    »Junge Dame!«, sagte der Weißbart empört.
    »Ich weiß, so etwas gehört sich nicht, Santa, aber das ist ein Notfall«, entgegnete ich, wartete seine Antwort gar nicht ab, sondern ließ mich auf die Rückbank fallen und rief etwas, das ich nie über die Lippen gebracht hatte, wäre ich nicht so außer mir gewesen. »Folgen Sie dem Wagen, bitte. Schnell.«

30.
    Ich hätte wirklich alles dafür gegeben, einfach nur aufzuwachen.
    Aber das hier war kein Traum, in dem ich mitten in der Nacht im Ballkleid und barfuß über den Highgate-Friedhof schlich. Es war leider die Wirklichkeit. Sicher waren die Seidenstrümpfe längst hin, aber um ehrlich zu sein, fühlte ich meine Füße kaum. Das musste das Adrenalin sein. Arthur und Anabel hatten eine Taschenlampe, mit der sie die umwucherten Pfade ausleuchteten und es mir nicht allzu schwermachten, ihnen zu folgen. Sie hielten sich an den Händen und liefen so zielstrebig voran, als seien sie diese Strecke schon hundertmal gegangen.
    Ob Henry schon unterwegs war? Und ob Emily ihm meine Botschaft auch richtig übermittelt hatte?
    Ich hatte so gehofft, mich zu täuschen, und dass Arthur Anabel einfach nur nach Hause bringen würde, damit sie ihren Rausch ausschlafen konnte. Aber das Taxi war dem von Arthur und Anabel direkt bis vor den Eingang des Friedhofs gefolgt, und als ich die beiden durch das kirchenähnliche Portal hatte verschwinden sehen, konnte ich mir nicht länger einreden, nur unter einer zu lebhaften Phantasie zu leiden, und war ihnen kurz danach durch das Tor gefolgt.
    Und jetzt hetzte ich hier durch die Dunkelheit, wenn auch völlig planlos. Ich wusste nur, dass ich verhindern musste, dass Arthur Anabel etwas antat. Ob Anabel wirklich vorhatte, sich freiwillig zu opfern, oder war das eine Lüge von Arthur gewesen? Ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, dass jemand, dass Anabel so weit ging, sich für diese Dämonensache umbringen zu lassen – Schuldgefühle hin, Liebes-Tsunami her.
    In der Dunkelheit erkannte ich verwitterte Grabsteine und zerbrochene Kreuze, und überall schien es zu rascheln. Ratten, Eulen, Werwölfe.
    Ich atmete schwer. Der kalte Nachtwind strich durch die Bäume, und mir wurde bewusst, dass das leise Klappern das Geräusch meiner Zähne war, die gegeneinanderschlugen.
    Jetzt nur nicht panisch werden. Henry würde sicher gleich hier sein. Er konnte mit Arthur reden. Letzte Nacht im Traum hatte ich gemerkt, wie groß sein Einfluss auf ihn war. Er würde ihn davon abbringen, und gemeinsam würden wir Anabel retten und … wohin waren sie verschwunden? Da! Der Lichtkegel der Taschenlampe zuckte über ein Grabmonument und leuchtete eine Tür an. Die beiden steinernen Engel, die davor Wache standen, kamen mir bekannt vor.
    Vor Schreck stolperte ich über eine Wurzel am Boden. Hätte ich mich nicht gerade noch rechtzeitig mit den Händen abgestützt, wäre ich mit der Stirn gegen eine Statue geprallt, die vor mir auf dem Sockel lag.
    Ich rappelte mich hoch, und dann erst wurde mir bewusst, wo ich mich befand: Das hier war das Grab mit dem steinernen Gruselhund, der uns gestern Nacht im Traum angegriffen hatte. Jetzt sah er nicht weniger bedrohlich aus, mit seinen leeren Steinaugen, aber wenigstens blieben seine Pfoten, wo sie waren. Ich hatte schließlich auch genug andere Probleme.
    Immerhin schienen Arthur und Anabel mich nicht gehört zu haben. Sie verschwanden im Mausoleum, und als die Tür sich hinter ihnen schloss, blieb ich allein im Dunkeln zurück.
    Stille.
    Und weit und breit keine Spur von Henry.
    Oh Gott! Ich war so dämlich! Ich hätte Arthur auf dem Weg angreifen sollen, und zwar von hinten! Er hätte überhaupt keine Chance gehabt. Jetzt, im Innern dieser Gruft, würde es viel schwieriger werden.
    Ich schloss kurz die Augen. Vielleicht reagierte ich ja total über und war in meiner Panik nur einem verliebten Pärchen

Weitere Kostenlose Bücher