Das erste der sieben Siegel
sie weitertragen. Wenn man beispielsweise in Peking eine erste Welle auslöst, ist die im Handumdrehen einmal rund um den Globus -- PENG!
Frank trommelte mit den Fingern auf dem Tisch.
Deer: Die Grippe kriegt jeder. Und man kann sie nicht kontrollieren. Wenn man sie also als Waffe verwenden würde, könnte man Millionen Menschen damit töten – zig Millionen.
Deer: Aber wer sollte so etwas tun wollen, und wieso?
Deer: Man könnte sie nicht mehr aufhalten.
Frank erinnerte sich, dass Deer ihn gegen Ende des Gesprächs mit seiner Bemerkung über die Sioux auf den Arm genommen hatte. Was hatte er noch mal gesagt? Es fiel ihm nicht mehr ein, und er blätterte nach.
Deer: Andererseits, wenn da einer Rache nehmen will … wenn einer richtig wütend ist auf die Welt …
Wütend auf die Welt. Je mehr er über den ›Tempel des Lichts‹ – oder zumindest über dessen Anführer – erfuhr, desto deutlicher wurde ihm, dass die Gruppe ganz sicher ›wütend auf die Welt‹ war. Und Frank wusste, dass das Töten von ›zig Millionen‹ Menschen eine Großtat wäre, wenn es nach Solange ging. Tatsächlich wäre damit ein großer Schritt getan, das wieder zu korrigieren, was Solange als ›die Verseuchung durch eine Amok laufende Spezies‹ nannte. Und diese Spezies war natürlich die Menschheit.
Annies Computer spielte die kitschige kleine Windows-Fanfare, und Frank rief seine Dateien auf.
Am Vortag hatte er ein paar Stunden im Net gesurft und Websites aufgerufen, die irgendwie mit dem ›Tempel des Lichts‹ zu tun hatten. Seine Ergebnisse hatte er in einem Dokument zusammengefasst, das er ›Übersicht‹ genannt hatte.
›Tempel‹/Solange
Le Monde: › Tempel des Lichts‹ Anfang der siebziger Jahre in Lausanne gegründet. Ursprünglich: ›Académie des Recherches et de la Connaissance des Hautes Sciences‹ – ARCH. 1979: Zwei Mitglieder werfen Bombe in die Kirche von Einsiedeln; Protest gegen den Widerstand des Papstes gegen Empfängnisverhütung. 1980: Ein Mitglied nach Attentat auf den Leiter der Schweizer Atombehörde wegen Mordes verurteilt. Weitere Zwischenfälle, darunter Angriffe auf Umweltschutzverbände, die von Solange als ›unzureichend militant‹ diffamiert wurden. Nach dem ungeklärten Tod eines liberalen Politikers, der Solange als einen ›fanatischen Bazillus in der grünen Bewegung‹ bezeichnet hatte, verschwand ARCH und sein Anführer aus der Öffentlichkeit.
Zwei Jahre später tauchte die Organisation in San Francisco als ›Tempel des Lichts‹ wieder auf, eine neugegründete ›Religion‹ unter Führung von Luc Solange.
Nach U. S. News & World Report: Solange »lieferte eine bizarre Mischung aus Mystik und ›radikaler Ökologie‹ und gewann damit eine Anhängerschaft mit bemerkenswert hohem Ausbildungsstand«. Die ›Missionare‹ des ›Tempels‹ waren »vor allem an den naturwissenschaftlichen Fachbereichen der besten Universitäten Amerikas aktiv«.
Unter der Überschrift »›Tempel‹ und Finanzen« listete er auf, wie sich das Anwerben von Wissenschaftlern bezahlt gemacht hatte, und zwar sowohl durch den Verkauf der Eco-Vita-Produkte als auch durch die hohen Gebühreneinnahmen aus den Patenten im Besitz des ›Tempels‹. Er notierte, dass die lukrativsten Patente im Wert von jährlich rund zehn Millionen Dollar Mikrovermantelungstechnologien betrafen, die an Pharmaunternehmen verpachtet worden waren. Er zitierte Annie:
Adair (12.5.98): »Im Prinzip werden bei der Mikrovermantelung sehr kleine Partikel mit Schutzhüllen umschlossen, die sich nach einer gewissen Zeit auflösen. Auf diese Weise können biologische Wirkstoffe auch unter Bedingungen überleben – beispielsweise in der Magensäure oder bei hohen Temperaturen –, unter denen sie normalerweise absterben würden.«
Er gähnte und runzelte die Stirn. Seine Konzentration war hin; sie wurde mal stärker, mal schwächer, wie ein schwindendes Funksignal. Stern, dachte er. Ich sollte Stern anrufen.
Und das hatte er schon. Dreimal bereits, aber bis jetzt hatte Stern nicht zurückgerufen. Er sollte mal nach ihm sehen. Schließlich war er vor dem Wohnhaus des Doktoranden vergiftet worden, also musste die Frau gewusst haben, bei wem er gewesen war.
Aber er wollte jetzt nicht zu ihm rüberfahren. Er war zu müde, und außerdem konnte er sich gar nicht mehr konzentrieren. Er würde morgen nach Stern sehen, oder übermorgen, und sich überzeugen, dass es ihm gutging.
Die Polizei war inzwischen seit drei oder vier
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