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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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Nahkampf, ma chère, sonst hast du keine Chance. Ich bin zu groß für dich.«
    Sie bewegte sich kreisförmig um ihn herum, versuchte, außerhalb seiner Reichweite zu bleiben, schaffte es aber nicht richtig. Er schnitt ihr immer wieder den Weg ab, erwischte sie mit einer schnellen Folge von Seitwärtshaken an den Oberarmen.
    »Lauf niemals weg, wenn du angegriffen wirst, ma chère. Das ist eine wichtige Regel. Wenn jemand dich verfolgt, verfolge ihn. Sonst …« Mitten im Satz attackierte er, traf sie mit drei wuchtigen Schlägen, die ihr die Zähne lockerten und den Mund mit Blut füllten. Dann beugte er blitzschnell den Oberkörper vor, machte einen Schritt nach vorn und schlug sie so hart in die Magengrube, dass sie das Gefühl hatte, das stumpfe Ende eines Telefonpfahls wäre durch sie hindurchgerammt worden.
    Plötzlich war sie auf allen vieren, bekam keine Luft, würgte vor Schmerzen.
    »Noch eine Minute und zwanzig Sekunden!«, sagte Solange über ihr. »Na los, Susannah, steh auf! Sonst gibt’s eine Nachspielzeit.«
    Sie bekam noch immer keine Luft, aber sie tat, was er ihr sagte: Sie wuchtete sich von den Fliesen hoch, warf sich ihm mit eingezogenem Kopf in die Arme und umklammerte ihn. Damit hatte er nicht gerechnet, und sie nutzte seine Verblüffung, indem sie ihn zweimal schlug und beim zweiten Mal sogar sein Kinn erwischte.
    Sie hielt ihn, so fest sie konnte, umklammert, verschränkte die Hände hinter seinem Rücken. Zusammen drehten sie sich einmal im Kreis, und sie sah die Gesichter ihrer Freunde in den Beuteln pulsieren. Sie beobachteten sie.
    Aber irgend etwas fehlte, und während sie verzweifelt kämpfte, um den sehr viel stärkeren Solange weiter in ihrer Umklammerung zu halten, erkannte sie, was das war, und sie geriet in Panik: Der kleine Stephen weinte nicht mehr.
    »Noch dreißig Sekunden, ma chère! Enttäusch mich nicht!« Sie hielt ihn fest, doch mit einer jähen Bewegung drehte er sich plötzlich von ihr weg. Und dann zielte er nur noch auf ihren Kopf, auf Mund, Nase, Kinn, Wangen, eine Gerade nach der anderen, sodass sie unter der Wucht der Schläge über die Terrasse kreiselte. Es regnete Sterne in ihren Augen, und ihr Gesicht glühte unter den Schlägen.
    Sie hielt sich kaum noch auf den Beinen, schwankte wie unter Schock auf zitternden Knien hin und her. Langsam hob sie einen Handschuh vors Gesicht und berührte ihre Wange, als wollte sie sich vergewissern, dass ihr Gesicht noch da war. Und benommen sah sie, wie er den rechten Arm kreisen ließ wie ein Quarterback beim Football vor dem alles entscheidenden Wurf, oder wie eine Zeichentrickfigur, die ihr einen Hieb verpassen wollte, der sie in den Weltraum schicken würde.
    Und dann lachte er, trat auf sie zu, und wie ein Bräutigam bei einer Hochzeit nahm er sie in die Arme und hob sie hoch. »Nicht schlecht, ma chère, gar nicht schlecht.« Er wandte sich den anderen zu und rief mit einem Lausbubengrinsen: »Was macht ihr denn da mit den Tüten auf dem Kopf? Seid ihr so hässlich? Nehmt sie ab! Was seid ihr nur für alberne Leute!«
    Und so wurden die Beutel abgenommen, und alle lachten und keuchten gleichzeitig, während Mr. Kim applaudierte und Susannah neben dem kleinen Stephen auf die Knie sank und verzweifelt und blutig mit den Fingern den Beutel aufriss.
    Einen Augenblick später lag der Junge in ihren Armen, voller Leben brüllend, und sie war so glücklich, sie brach in Tränen aus und dachte mit einem hingebungsvollen Blick Richtung Solange: Danke, danke, danke, danke …

26
    »Ich bin um fünf wieder da«, sagte Annie. »Ruf mich an, wenn dir komisch wird – versprochen?«
    Frank saß in Annies Wohnzimmer im Sessel vor dem Fernseher und schaute sich eine morgendliche Nachrichtensendung an. Zuerst hatte er das Gefühl, die Sprecherin hätte Annies Stimme, obwohl er wusste, dass das nicht stimmen konnte.
    »Frank?«
    Er runzelte die Stirn und beugte sich näher zum Fernseher hin. Die Sprecherin sagte etwas, aber es kam ihm viel zu langsam vor, bis ihre Worte in seinem Hirn anlangten. Er hatte das Gefühl, einen ausländischen Film zu sehen, der nicht lippensynchron war.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    Er wandte sich Annie zu. Ihre Worte schienen mit einer kleinen, aber signifikanten Verzögerung in seinem Hirn anzukommen, als telefonierte sie aus Tokio.
    »Tipptopp«, sagte er und drehte sich wieder Richtung Fernseher.
    »Vielleicht sollte ich doch lieber noch einen Tag zu Hause bleiben. Ganz ehrlich.«
    »Es geht mir

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