Das erste der sieben Siegel
werden konnten. Sie machte mehrere Abzüge – wohl wissend, dass das CDC auch einen Abzug haben wollte –, hängte die meisten davon zum Trocknen auf und eine mit einem der noch nassen Abzüge zurück in ihr Büro. Sie wollte ihn mit den Bildern von A/Peking/2/82 vergleichen, die sie aus einer Computerdatenbank abrufen konnte.
Sie loggte sich in die zentrale Datenbank der NIH ein und klickte sich ins Bildarchiv für Influenzaviren. Nachdem sie den Suchbegriff eingegeben hatte, wartete sie, bis sich das graphische Schaubild auf dem Monitor aufgebaut hatte, was enervierend langsam vonstatten ging, da ihr Computer veraltet und ziemlich lahm war. Als A/Peking/2/82 endlich voll zu sehen war, schüttelte sie den Kopf. Es war zwar mit ihrem Abzug identisch – aber doch nicht das gleiche. Das Bild auf dem Monitor war klar und deutlich, ohne das verschwommene Aussehen seines Gegenstücks. Aber die Struktur war die gleiche. Sie verstand das nicht. Sie tippte etwas ein und ließ das Computerbild ausdrucken.
Ozzie hatte ihr auch Dias von Immunfluoreszenztests mit dem Virus gegeben. Auf diese Weise wurden die meisten Grippevarianten identifiziert. Man setzte den Antikörpern von bekannten Varianten Proben aus, die zuvor radioaktiv markiert worden waren, um sie fluoreszierend zu machen. Wenn dann die Antikörper einer bestimmten Variante auf die Antigene dieser Variante trafen, leuchtete das Virus unter einem Fluoreszenzmikroskop hell auf, wie ein Neonlicht.
Hier jedoch geschah etwas Eigenartiges. Einige wenige viröse Partikel leuchteten auf, doch nur schwach, längst nicht so hell wie normalerweise. Außerdem hätten es viel mehr Partikel sein müssen. Als wäre ein Großteil der Viren für die Antikörper unsichtbar, und selbst wenn sie sichtbar waren, zeigte sich eine wesentlich schwächere Wirkung.
Sie rannte beinahe zu Doctor Ks Büro, wo sie die Sache erörterten und dann abwechselnd unter dem Fluoreszenzmikroskop Ozzies Proben in Augenschein nahmen. Doctor K wollte ganz sicher sein, dass das erste Dia nicht anomal war. Aber hier bot sich das gleiche Bild – keine dichte Wolke aus hellen Sternchen, sondern nur vereinzelte, schwach leuchtende Punkte.
»Das gibt’s doch gar nicht«, sagte er. »Als würde irgendetwas die Rezeptoren daran hindern, sich an die Antigene zu binden.«
Die bekannten Antikörper waren markiert, und die sichtbare fluoreszierende Reaktion trat ein, wenn sie die virösen Antigene aufspürten, auf die sie spezialisiert waren. In diesem Fall waren die Antigene zwar da, doch die Antikörper fanden sie nicht.
»Genau«, sagte Annie, »und wissen Sie was, ich glaube, es ist dieses … klebrige Zeug. Es stößt die B-Zellen ab.«
»Kein Wunder, dass die Leute so lange krank bleiben. Und sie meinen, jemand hat es manipuliert, um die Abwehrreaktion zu unterdrücken?«
»Zumindest um sie zu verzögern. Ich meine, wir sehen diese schwachen Reaktionen, also vielleicht brauchen die B-Zellen nur länger.«
»Stimmt.«
»Das erinnert mich an Masern«, sagte Annie plötzlich. Bei Masern handelte es sich um ein weiteres Ribonukleinsäurevirus, das strukturelle Ähnlichkeit mit dem Grippevirus hatte. Und wie die Grippevariante, mit der sie es hier zu tun hatten, störte das Masernvirus die Lymphozytenproduktion von Immunglobulin.
Nachdem sie und Doctor K noch ein Konferenztelefonat mit Ozzie und anderen CDC-Mitarbeitern geführt hatten, war Annie erschöpft. Unaufhörlich musste sie gähnen. Jetzt war ihr klar, warum diese Grippe sich so hinschleppte. Ihre körpereigene Abwehr wurde unterdrückt, ganz wie bei Menschen, die an Aids erkrankt waren.
Dr. Kicklighter telefonierte schon wieder, als Annie schließlich ihre Tasche packte. Sie klopfte auf den Türrahmen und winkte ihm kurz zu, bevor sie ging. Er winkte zurück, ohne sich nach ihr umzuschauen. Sie hatten darüber gesprochen, dass er vielleicht gebraucht würde, um dem FBI bestimmte Dinge klarzumachen, und er hatte sich einverstanden erklärt – wenn auch nur widerwillig. Er war eher aufgeregt über die wissenschaftlichen Implikationen des manipulierten Virus und weniger besorgt über dessen mögliche Bedeutung für die Pläne, die der ›Tempel‹ mit der Spanischen Grippe hegte.
»Es ist erstaunlich«, hörte sie ihn ins Telefon sagen. »Als würde das Virus Teflon absondern, verstehen Sie? Ich würde liebend gern wissen, wie das erreicht wurde, denn wenn man diesen Prozess umkehren könnte, wäre es möglich, die Immunreaktion zu
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