Das erste der sieben Siegel
Frank konnte seinen Atem spüren. Ein Arm legte sich um seinen Hals, und er roch etwas ekelhaft Süßliches, einen Krankenhausgeruch, der nur von Chloroform stammen konnte. Eine Hand legte sich über seinen Mund und presste ihm einen feuchten Lappen ins Gesicht.
Frank schlug um sich. Wand sich. Kämpfte. Doch schließlich wurde er ruhig und hielt die Luft an.
Es kam ihm so vor, als läge er lange so da, aber es konnten nur relativ wenige Sekunden gewesen sein. Seine Lungen waren in heller Panik, sein Herz dröhnte, aber er spürte, dass sein Angreifer die Umklammerung lockerte, nur ein wenig, gerade genug.
Frank erwachte unter ihm zu Leben, stieß seinen Kopf in das Gesicht des Mannes, sodass der nach hinten kippte. Dann sprang er auf und wollte den Burschen mit einem Fußtritt erledigen, solange er noch am Boden lag. Aber der Mann war zu schnell und Frank zu benommen. Der Eindringling wich dem Tritt aus, rollte ein Stück weg und sprang auf.
Frank sah schwarze Jeans und T-Shirt, rotbraunes Haar und ein rundliches Gesicht mit einem hellroten Blutfleck um Mund und Nase. Frank stürzte sich auf ihn, aber seine schmerzenden Rippen verlangsamten die Attacke, und er konnte sich nicht richtig aufrichten. Der Mann war vor ihm an der Tür und riss sie auf. »Claude!«, rief er, dann war er draußen und knallte die Tür hinter sich zu.
Frank fasste nach dem Türknauf, doch er ließ sich nicht drehen. Sein Gegner hielt die Tür von der anderen Seite zu, bis sie einen Moment später nach innen aufschwang, sodass Frank die Türkante gegen die Stirn bekam. Er taumelte rückwärts und sah im Türrahmen das blutige Gesicht seines Angreifers und hinter ihm einen weiteren Mann, dunkel und finster dreinblickend. Chloroformgestank lag in der Luft.
Die Angst trieb ihn nach vorn, aber seine Footballerfahrung rettete ihn. Er wusste, wie man attackiert. Er sah das runde Gesicht in der Tür und den anderen Mann dahinter, sah den Chloroformlappen in seiner Hand – und er senkte den Kopf und rannte in sie hinein.
Der Angriff überraschte sie; sie verloren das Gleichgewicht und taumelten nach hinten, Richtung Treppenabsatz. Er drängte sie immer weiter, bis sie schließlich alle drei in einem Gewirr aus angeschlagenen Köpfen und wild rudernden Armen die Treppe hinunterpolterten.
Dann schlich sich eine unsichere Stimme in den Tumult: »He! Verdammt, was ist denn hier los?«
Franks Angreifer rappelten sich auf, kaum dass sie unten angekommen waren. Sie sprangen Richtung Haustür und stießen Carlos – Franks Nachbarn – beiseite, dem die Einkaufstüten aus der Hand flogen. »He!«, krähte er.
Frank zog sich am Treppengeländer hoch und stürmte auf die Straße hinaus, aber es war zu spät. Er sah die Männer in einen schwarzen Kleintransporter springen, der ein Stückchen entfernt in zweiter Reihe parkte. Er rannte hinterher, hoffte, das Nummernschild lesen zu können, als der Wagen losfuhr und davonbrauste.
»Mein Gott«, stöhnte er. Als hätte er nicht schon genug Schmerzen gehabt.
Carlos kam angelaufen, einen Salatkopf in der Hand und heftig schnaufend. »Frank«, sagte er in einem flehentlichen Ton, »was ist hier los?«
27
Ozzic Vilas hatte im CDC bereits die meisten vorbereitenden Arbeiten erledigt, und Annie war ihm dafür dankbar.
Ein Elektronenmikroskop erfasst eine Fläche von ungefähr einem Millionstel Millimeter. Viren sind außerordentlich winzig – so würden beispielsweise mehrere Millionen Viren auf ein Komma passen. Im Gewebe oder Blut waren sie jedoch verteilt, und außerdem hing die vorhandene Anzahl von der jeweiligen Infektionsphase ab. Um ein Virus ohne frustrierende und zeitraubende Sucharbeit betrachten zu können, wurden Virenstämme gezüchtet, häufig in Gewebeschichten aus Nierenzellen von Affen, und dann durch den Einsatz von Hochgeschwindigkeitszentrifugen konzentriert. Manchmal wurden Viren durch ein Verfahren, das sich PKR nannte, nachgebildet.
Der Virenstamm, den Ozzie ihr und Dr. Kicklighter zur Verfügung gestellt hatte, war bereits konzentriert und pelletiert, wobei das viröse Material mit Harz dispergiert worden war. Die so entstandenen winzigen harten Kügelchen waren in Röhrchen gefüllt worden, die man in Watte gepackt und sicher in einem Metallcontainer verstaut hatte, der das Warnsymbol für gefährliches biologisches Material trug.
Die NIH hatten viele gute Elektronenmikroskopisten, die große Erfahrung damit hatten, Muster vorzubereiten und nach Pathogenen zu suchen.
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