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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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Island
    Susannah war es nicht gewöhnt, große Transporter zu fahren, aber der Mietwagen von U-Haul ließ sich leicht lenken. Er hatte Automatikgetriebe und eine tolle Rundumsicht. Was gut war, denn seit dem Boxkampf hatte sie Probleme mit den Augen. Hinter ihrer herzförmigen Sonnenbrille war das rechte Auge fast völlig zugeschwollen und das linke blutunterlaufen und irgendwie trübe. Der Doktor hatte gesagt, es würde wieder in Ordnung kommen, aber noch nicht so bald. Es würde wohl eine Weile dauern.
    Währenddessen saß Stephen in seinem Kindersitz und gurgelte fröhlich.
    Sie dagegen hatte Angst. Nicht so sehr wegen ihres Vorhabens oder davor, was passieren würde, wenn es schief ging – sondern davor, irgendwas falsch zu machen. Sie hatte besondere Instruktionen von Solange bekommen, und Gott stehe ihr bei, wenn sie Mist baute.
    Sie war schon vor fast einer Stunde am Dock angekommen, ungefähr eine Minute nach dem Ablegen der Fähre. Das war nicht etwa Pech, sondern genau so geplant gewesen. Als Erste rauf, als Erste wieder runter, hatte Solange gesagt, als wäre das ganz besonders wichtig.
    Also hatte sie neunundfünfzig Minuten gewartet, und dann, als sich die Sperre hob, fuhr sie langsam vor, bis der Wagen tief im Innern der Fähre war. Im Rückspiegel konnte sie den Wagen des Franzosen sehen, mit Vaughn und Belinda auf der Rückbank.
    Sie war richtig nervös. Dabei hätte sie das gar nicht sein müssen. In vielerlei Hinsicht war ihr Job der einfachste. Tatsächlich musste sie überhaupt nichts machen, außer sie bekamen irgendwelche Schwierigkeiten. Dann kommt dem Einsatz, ma chère. Du bist Plan B.
    Toll, dachte sie. Ich bin Plan B. Sonst ist keiner Plan-irgendwas, außer Plan A, vermute ich mal. Aber ich bin Plan B. Sie kniff die Augen zusammen, weil sie sich mit Tränen füllten, was sie in letzter Zeit häufig taten. Draußen hörte sie Fährleute irgendwas rufen und dann die Bootssirene – ein tiefes heulendes Tuuuut. Der Boden fing an zu beben und die Wände, und auf einmal rumpelten sie vorwärts. Dann wurde es ruhiger, und sie nahmen Fahrt auf, wurden immer schneller. Sie konnten es spüren.
    Wie auf ein Stichwort hin stiegen Vaughn und Belinda aus dem Wagen hinter ihr und gingen zu dessen Kofferraum, wo die Ingrams verstaut waren. Sie trugen die T-Shirts, die Solange entworfen hatte, damit die ›Templer‹ einander sofort erkannten, ganz gleich, wie verwirrend die Situation auch werden mochte. Die T-Shirts waren toll – blutrot, mit einer primitiven, indonesischen Mudman-Maske vorne drauf und darüber:
    D IE S ANFTMÜTIGEN
    Sie wünschte, sie hätte auch eins … aber eigentlich doch nicht. Weil es so noch besser war. Sie war etwas Besonderes. Sie war Plan B. Normalerweise hätte sie sich ausgeschlossen gefühlt, aber diesmal nicht. Weil Solange nämlich auch kein T-Shirt trug. Also war er auch Plan B.
    Hinter ihr quietschte die Tür des U-Haul-Wagens, als jemand, vermutlich Saul, sie nach oben rollte. Dann wackelte der Transporter, und sie hörte, wie sie das Zerstäubergerät rauszogen.
    Sie stieg aus dem Wagen und ging um ihn herum auf die andere Seite. Nachdem sie die Beifahrertür geöffnet hatte, nahm sie Stephen aus dem Kindersitz, setzte ihn sich auf die Schulter und strebte Richtung Oberdeck. »Toi, toi, toi«, sagte sie, als sie an dem grinsenden Solange vorbeikam.
    Und dann war sie draußen, und es war irgendwie herrlich, in der frischen und feuchten Brise. Es waren viele Leute an Deck, die meisten lächelten, und drinnen waren auch viele. »Guck mal«, sagte sie zu Stephen und zeigte mit dem Arm, »das ist eine große Stadt! Siehst du die große Stadt? Wo ist die große Stadt? Oh! Da ist sie!«
    Ein alter Schwarzer mit einer Schuhputzerkiste lächelte ihr zu, wandte sich dann an einen Typen, der aussah wie ein Banker, tippte mit der Fingerspitze an seine Mütze und sagte: »Kann ich Ihnen helfen, Sir? Ihre Schuhe sehen ein bisschen schmuddelig aus.« Eine Band fing an, im großen Hauptraum zu spielen. Irgendwer warf irgendwem einen Ball zu. Kinder rannten kreischend übers Deck.
    Sie stand an der Reling, zeigte Stephen die Freiheitsstatue, als sie leise von irgendwo in der Mitte des Bootes eine Maschinenpistolensalve hörte. Eine Frau schrie auf, eine zweite Maschinenpistole kam ins Spiel, und die Menschen fingen an, hin und her zu rennen, als könnten sie tatsächlich irgendwohin. Dann hörten die Schreie auf, und die Fähre kam fast zum Stillstand, und ihre Freunde tauchten

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